Französischer Angriff am 6. und 7. November 1917

Unvergesslich war der Sturm auf das Schönholz im Februar 1916 durch das Landwehr Infanterie Regiment 126 (siehe Sturmangriff auf das Schönholz - Februar 1916 und Oberstleutnant Emil Ströhlin und der Sturmangriff auf das Schönholz, Februar 1916),

Das Unternehmen brachte die Herrschaft über die Kuppe und einen Raumgewinn von etwa 600 Meter. Noch in der selben Nacht versuchten die Franzosen mehrmals die Kuppe zurück zugewinnen, was jedoch nicht gelang. In der Folgezeit wurde die neu gewonnene Stellung verstärkt ausgebaut. Ein weiterer ernsthafter Versuch der Franzosen fand erst wieder am 22.12.1916 statt. Nachmittags wurde die Kuppenstellung westlich der Straßenkehre lebhaft und andauernd mit schweren Granaten und Minen beschossen. Um 5h abends erfolgte dann ein Infanterieangriff, der aber abgewiesen wurde. Mehrere Männer vom L.I.R. 126 wurden dabei verschüttet und konnten erst am nächsten Tag unverletzt ausgegraben werden. 

Im Januar 1917 wurde das LIR 126 etwas nach rechts verschoben, d.h. nördlich des Kanals, der freigewordene Raum wurde von der 52. Infanterie Division besetzt. 

Nach einem zunächst milden Winter, setzte Ende Januar grimmiger Frost ein und erschwerte das Kriegsdasein gewaltig. Der Kanal und später auch die Larg, froren mit einer begehbaren Eisdecke zu. Dies erforderte eine erhöhte Aufmerksamkeit der Posten und Patrouillen. Auch die Schanzarbeit war durch diesen Umstand sehr erschwert. 

Nun übernahm das Landwehr Infanterie Regiment 81 diesen Abschnitt nördlich und südlich des Kanals. Der Abschnitt unterteilte sich in „Nord-rechts“ und „Nord-links“, wobei der Rhein-Rhone Kanal die natürliche Grenze zwischen diesen beiden Unterabschnitten bildete.

Über den Unterabschnitt „Nord-rechts“ schreibt die Regiments-Geschichte folgendes:

"„Nord-rechts“, den das II. Bataillon besetzte, war fast eben. Seine Stellung klammerte sich vorwiegend an das Dorf Brünighofen, das von Gräben und Verhauen durchsetzt, trotz seiner gefährlichen Lage fast mehr zerfallen als zerschossen und in seinen Umrissen noch leidlich erhalten war. Alle seine Gräben strebten, um sich dem Bereitschaftsort Niederspechbach zu nähern, einem Gehöfte, dem „Kuhstall“ zu, um von dort aus in einem einzigen Laufgraben dieses Dorf zu erreichen. Naturgemäß lag das französische Feuer mit Vorliebe auf dem Knotenpunkte des „Kuhstalls“, dessen Ruinen davon zeugten (Anm.: siehe dazu auch: Der Kuhstall und die Stellungen um Niederspechbach und Brünnighofen). 
Die Franzosen hatten Niederspechbach, obwohl es kaum 1 ½ km rückwärts von Brünnighofen lag, weitgehend geschont. Die stattlichen Häuser, die geräumigen Scheunen waren im großen Ganzen unversehrt und nur an den Dorfausgängen stärkere Verheerungen angerichtet. Am meisten fiel es auf, dass der hoch hinaufgespitzte Kirchturm, der weit und breit die beste Beobachtung der französischen Stellung bot, noch unberührt war. Selbstverständlich saß ein Beobachter auf der „Zugspitze“, wie das für den abhorchenden Feind nicht gerade rätselhafte Deckwort des Turmes hieß."

Das III. Batl. L.I.R. 81 übernahm den südlich des Kanals gelegenen Unterabschnitt „Nord-links“, also die Stellungen im Langhag und Schönholz. Die folgende Karte soll die Situation etwas verdeutlichen.


Mit einem roten „K“ gekennzeichnet, die sogenannte „Küchenschlucht“, über die in der Regiments-Geschichte folgendes steht: „Im innersten Winkel dieser Schlucht dampften die Küchenbaracken der 9., 10. und 11. Kompanien. Doch den Köchen, die ihr Handwerk bislang im sicheren Hafen der Bereitschaftsläger betrieben hatten, war es in dieser Schlucht mit der Romantik der Feindesnähe nicht wohl zumute“

Ein weiterer Auszug aus der Regiments-Geschichte beschreibt die Stellungen und Unterkünfte:

"Die Unterstände waren nicht besser und nicht schlechter als die im Priesterwald, doch in den Kellerlöchern Brünnighofens, zu denen doch wenigstens das Tageslicht hereindrang, lebte sich’s schon recht leidlich. In Niederspechbach und Brünnighofen gab’s sogar mehr oder weniger möblierte Zimmer. Von den beiden Kampfbataillonen hatte das Kessler’sche 2 Kompagnien in Stellung „Nord-links“,  eine lag als Stoßkompagnie in Niederspechbach, die letzte (7. Komp.) lag als Nahtkompanie für die Kanalgrenze in Heidweiler. Die „Kanalwache“, welche bis in die Höhe des Vorfeldgrabens in das Buchengelände vom Nordufer des Kanals vorgeschoben war, behütete den wichtigen durch M.G. gesicherten Kanal-Übergang.

Zwischen dieser Wache und Brünnighofen befand sich kein Kampfgraben. Draht, Sumpf und Largarme ersetzten ihn. In dem gefährdeteren Abschnitt „Nord-links“ waren drei Kompagnien eingesetzt, die vierte lag dicht dahinter im Bereiche von Sundgau 1. Die Durchführung einer Tiefenstellung war in dieser unmodernen Stellung zunächst ausgeschlossen. Die M.G. Kompagnien der Kampfbataillone waren mit je 10 schweren Gewehren eingesetzt, ebenso die beiden Minenwerferabteilungen. Das I. Batl. lag als Bereitschaftsbataillon mit Stab und 2 Kompagnien in dem Städtchen Illfurt, mit 2 Komp. und M.G. Komp. unweit davon in Tagolsheim. Seine Minenwerfer-Abteilung hauste auf der Obermühle vorwärts Illfurt."

Das Regiment verbrachte in diesem Abschnitt eine relativ ruhige Zeit, man war beschäftigt mit Aufräumarbeiten und den üblichen Befestigungs- und Verbesserungsmaßnahmen. Der Feind pflegte nur ein paar Kugeln, einige Granaten herüber zu senden. Diese Situation sollte sich jedoch bald dramatisch ändern.

Nachfolgend nun ein längerer Auszug aus der Regiments Geschichte des Landwehr Infanterie Regiment 81:

"Es war merkwürdig, dass die feindliche Artillerie am 2. November auf einmal aus der Ruhe erwachte. Schon vor Dämmerung hatten sie 36 Schuss, am Nachmittag sogar 90 Schuss auf den „Kuhstall“ und zugleich einige Granaten auf die hinter der Kanalbrücke gelegene Schleuse 28 abgegeben. Man stand derart im Banne der oberitalienischen Ereignisse, dass man das Verhalten der Franzosen damit in Verbindung zu bringen zu müssen glaubte. Die einen sagten, es geschähe, weil sich der Franzmann über die deutschen Erfolge jenseits der Alpen ärgere, die anderen glaubten an eine Verschleierung des Abzuges feindlicher Kräfte zugunsten Venetiens. Die Meldung von einem lebhafteren Zugverkehr bei Dammerkirch und stärkeren Wagen- und Autobetrieb bei Hagenbach deutete man gleichfalls in diesem Sinne. Nur fiel auf, dass ein sonst nicht gesichteter Fesselballon in Richtung Hagenbach stand, und feindliche Flieger an mehreren Tagen die Stellung überflogen. Auch hatte der Gegner sonderbare Übungen angestellt, indem er rote oder grüne Leuchtkugeln steigen lies, worauf stets einzelne Artillerieschüsse auf Strassen und Anmarschwege gefallen waren. Der taktische Bericht vermutete hinter diesem Lichtspiel nichts weiter, als dass es auf Straßenverkehr hinter der deutschen Front aufmerksam machen wolle. Dass es die Vorübung zu einem Angriffsplane sein könne, daran dachte niemand, und so schloss der taktische Bericht mit dem beruhigenden Hinweise, dass feindliche Angriffsabsichten nicht erkannt seien. In der Nacht auf den 3. November erfolgten mehrere Feuerüberfälle auf den „Kuhstall“. Im Übrigen verlief der Tag ruhig. Doch bereits am 4. November früh zwischen 2 und 6 Uhr fielen 175 Schuss auf die Gräben von Nord-rechts, denen am Nachmittage bis in die Nacht hinein 500 weitere Granaten leichten Kalibers folgten. Planten die Franzosen – die zielvolle Steigerung ihres Feuers sprach dafür – einen Anschlag gegen den Abschnitt Brünnighofen? Oder handelte es sich bloß um ein Ablenkungsfeuer, um ein Unternehmen an anderer Stelle zu verschleiern? Doch, was der Gegner auch im Schilde führte, das II. Batl. konnte hinter Sumpf und Draht dem Kommenden getrost entgegen sehen. 

Der Heidweiler Abschnitt war bisher im wesentlichen von der französischen Artillerie verschont geblieben. Am Nachmittag des 4. November wurde dies plötzlich anders – 250 Schuss schlugen im Vorfeldgebiet ein. Feuerüberfälle von etwa 30 Granaten auf den Talgraben folgten. Auch der Sundgau-Graben 1 erhielt Feuer. Von 6 Uhr abends ab traten Minen und schwere Kaliber von 15,5cm und 22cm gegen „Nord-rechts“ auf. Durch die Bäume des Schlossparks prasselten Schrapnells, zugleich wurden die deutschen Artilleriestellungen beschossen. Die Lage, die in den Tagen zuvor noch so sorglos erschienen war, hatte sich plötzlich verdüstert. Über Heidweiler zischten die Geschosse dicht hinweg, nach Niederspechbach waren schon einige hineingeschlagen.

Das Feuer war am 5. November nicht viel stärker geworden. In den ersten Morgenstunden beschoss der Gegner den Suedausgang von Niederspechbach und wiederholte dies am Vormittage. Die Gräben von „Nord-rechts“ lagen unter mäßigem Feuer. Dagegen wurden Schleuse 28, Kanalwache und Strasse nach Heidweiler, die am Kanal entlang lief, bis in die Nacht unaufhörlich beschossen. Die Zugangsgraeben und die vorderen Linien von „Nord-links“ hatten bis zum Abend bereits stark gelitten. Man saß in seinem Stollen, der ab und zu von nahen Einschlägen zitterte, und zerbrach sich den Kopf über die Absichten des Franzmannes. „Am 7. werden wir abgelöst“ sagte ein Mann nachdenklich. „Morgen kommen schon die Vorkommandos“. Keiner sagte etwas hierzu; jedermann hatte eigene Gedanken darüber. 

Die Nacht zum 6. November verlief unruhig. Schon mit Hellwerden beschoss der Gegner mit allen Kräften den Abschnitt „Nord-links“. Gegen Mittag setzte stärkstes Wirkungsfeuer ein. Kurz vorher waren die Vorkommandos des I. Batl. unter Hauptmann Weniger und den Ltns. Sippel, Watermann, Müller, Machenheimer, Bockelmann und von Beresworth-Wallrabe vorne eingetroffen. So wurde also wirklich morgen abgelöst. Man hatte fast nicht mehr daran geglaubt.

In dem französischen Feuer lag System. Man merkte, dass es wie ein Halbkreis erst locker um die Stellung geworfen wurde, dass dieser sich dann langsam nach vorne an sie heranzog. Gegen 2 Uhr legte er sich auf das ganze Vorfeld und sprühte in der vollen Glut der Vernichtung. Immer dichtere Wolkenballen stoben aus den Bäumen empor. Der Boden bebte. Hinten in Heidweiler wankten die Häuser. Es waren schwere Minen. Verwirrt und betäubt retteten sich die Leute aus den leicht gebauten Unterständen in die tiefen Stollen. In dem Gedränge steckten auch die Vorkommandos. An ein Zurückkommen aus diesem tödlichen Orkane war nicht zu denken. Sie waren gefangen. Die verhängnisvolle Stunde schien ihr Schicksal mit demjenigen des III. Batls. vereinigen zu wollen. Aber auch den Mannschaften war jeder Gedanke an Ablösung vergangen. Es galt, durchzuhalten. 

Als die Minenbeschießung begann, gelang es am rechten Flügel der 9. Komp. Ltn. Ienior, seine Leute aus den mangelhaften Unterständen allmählich ohne Verluste in den sicheren Stollen im Talgraben zu bringen. Ein Volltreffer schlug ein; die obere Stollenlage barst. Doch die Eingeschlossenen bewahrten ihre Kaltblütigkeit und waren zum Empfang des Gegners, sollte er eindringen, bereit. Ltn. Stahl, nebst Ltn. Watermann 2. Komp. und seinen Vorkommandos nebst den Zugführern der 10. Komp. sowie dem Uo. vom M.G. waren bei der bedrohlichen Wendung der Beschießung im Komp.-Führer-Unterstand zur Entgegennahme der Befehle bezüglich der Ablösung versammelt gewesen. Die Gewalt der Einschläge hatte alle in den naheliegenden Stollen getrieben, als auch schon der Eingang des Unterstandes halb zusammenstürzte. Die nahe gelegene Offizierslatrine flog nebst Inhalt in den Eingang. Eben stand dort noch der Sanitäts-Unteroffizier Schall, um auf verdächtiges Infanterie-Feuer zu achten, als ein Schuss schwersten Kalibers diesen Zugang mit einer großen Erdmasse hoffnungslos versperrte. Stark gequetscht wurde der Wimmernde hervorgezogen. Der Stollen schwankte. Es kam der Stollenbesatzung vor, als ob von unten her mit starken Hämmern gegen den Boden gepocht würde. Es war die Fortleitung der Ferneinschläge. Zwischen diesem Lärm hörte man das Surren von Propellern. Feindliche Flieger kreuzten über der Stellung und lenkten das Feuer. Die Unteroffiziere arbeiteten mit aller Kraft, die stets erneut in die Eingänge geworfene Erde in den Stollen zu ziehen, um wenigstens ein Luftloch offen zu halten. In dieser Tätigkeit erstickten sie die gewaltsame innere Bewegung. Andere saßen in gleichgültiger Starre, wieder andere ermunterten ihre Kameraden durch ihren Galgenhumor. Alle aber waren sich ihrer Pflicht bewusst und befolgten die Befehle bis zum Äußersten.

Bei der 11. Komp. waren von den vier Ausgängen eines Stollens drei ganz zerschossen, der letzte nur noch halb passierbar. Die Landsturmrekruten Vogel und Kolbe standen in diesem Feuer 5 Stunden Posten, bis sie ohnmächtig zusammensanken. Mit dem vorrückenden Nachmittage waren bereits die meisten Stollen des Vorfeldes verschüttet, mehrere stellenweise eingedrückt. Der Küchenstollen hatte schwere Granattreffer erhalten, war aber im ganzen heil geblieben. Es war ein Wunder, dass die Kompagnien noch keine nennenswerten Verluste erlitten hatten. Die Stimmung blieb gut. In dem festen Entschlusse, dem Feinde, sollte er angreifen, auch diese zertrümmerten Gräben nur im bitteren Kampfe zu überlassen, waren Alle einig. Im anhaltenden Granat- und Minenfeuer schleppte man Handgranaten und Munition herbei. In dem Rauche, der langsam über den Kanal trieb, ging die Sonne mit einem fahlen Scheine unter, die Landschaft in ein unheimliches Licht tauchend. Welches Geschick würde sie mit dem neuen Tage für die Männer heranführen, die im Dunkel der kaum sie schützenden Stollen dumpf entschlossen dem Kommenden entgegensahen?

Mit der Dämmerung ließ die Beschießung nach. In den braunen Erdschütten, die über die Stolleneingänge gestürzt waren, regte es sich wie in Maulwurfshaufen. Es entstanden Löcher darin. Stahlhelme stülpten sich heraus, und vorsichtig lugten ein Paar Augen in’s Gelände. Man arbeitete sich in’s Freie. Rings Trichterfeld, gestürzte Bäume, frisch-braune Erde, jeder Fleck mehrmals umgepflügt, die Gräben eingeebnet. Die Kompagnien suchten in sich und miteinander Verbindung aufzunehmen und zu sichern, wobei es oft kaum möglich war, die zugeschütteten Stolleneingänge der Nachbarn zu finden. Als dabei die Uo. Krappe und Scholz von der 10. Komp. ihren Stollen in der vordersten Linie wieder aufsuchen wollten, wurde Krappe von einer Granate zusammengerissen. Ltn. Stahl gelang es, mit seinen Leuten in einen großen Stollen hinüberzuklettern, der noch von den Franzosen erbaut, zwar mit feindwärts gerichteten Ausgängen versehen, aber tief und gut gesprießt, und der einzige war, der der Beschießung einigermaßen standgehalten hatte.

Um 7 Uhr abends war erhöhte Alarmbereitschaft für den Abschnitt befohlen, die Ablösung des III. Batls. Aufgehoben worden. Oberstltn. Grell und sein Stab haben den Regts.-Gefechtsstand, Hauptm. Kleiner den seinen auf der Nordkuppe bezogen. Auch dort lag planmäßiges, schwerstes Feuer. Die Verbindung zu den Kompagnien war zuerst noch durch Meldeläufer mühsam aufrecht erhalten worden. Das hörte bald ganz auf. Von 8 Uhr abends ab wurde die A 1 Linie durch die 4. Komp., welche Brigade-Reserve war, besetzt. Ein Stoßtrupp unter Ltn. Kracht und ein Reserve-M.G.-Zug standen dem Abschnittskommandeur zur Verfügung. Die 1. M.G.K. besetzte mit 12 M.G. die ihr zugewiesenen Stellungen. 

In der Nacht steigerte sich die Beschießung des Abschnittes zum Trommelfeuer. Nur der linke Flügel der Kompagnie Boysen war weniger davon betroffen. Im Komp.-Abschnitt Stahl war der linke Flügel am Tage weniger stark beschossen gewesen, sodass die Posten dort im Graben noch ausgehalten hatten. Sie mussten jetzt zurückgenommen werden. Der Kompagnie Grebe gelang es, in dem dicht am Kanal am weitesten vorgeschobenen Teile ihres Flügels liegenden Betonklotz gegen etwa am Kanal vorgehende feindliche Patrouillen eine Gruppe von 1 Unteroffizier und 6 Mann zu halten, da dort wenig Feuer lag. Im übrigen musste man sich darauf beschränken, an den Ausgängen der Stollen, in die man sich zurückgezogen hatte, Posten aufzustellen. Ltn. Grebe vermochte in seinem kleinen Betonklotz mit Hauptm. Weniger die Nacht durchzuhalten. Trotz des Feuers hatte die 9. Komp. Patrouillen ins Vorgelände entsandt, um ein Heranarbeiten feindlicher Schleichtrupps zu verhindern. Eine französische Patrouille wurde gesichtet, die sich aber, als sie sich entdeckt sah, zurückzog.

Um 2 Uhr morgens musste infolge Geschosswirkung auch der Stollen des Zugführers am rechten Flügel der 10. Komp. bis auf eine stehende Patrouille geräumt werden. Ltn. Böhmer und drei Mann wurden in dem großen Stollen aufgenommen. Die Stellungen am Kanal die von einem Zuge der 2. M.G. Komp. eingenommen waren, lagen während der ganzen Nacht unter schwerem Feuer und wurden dauernd vergast. Die M.G. Komp. hatten bereits Verluste. Vom Zuge Schreiber der 3. M.G. Komp., der im schwersten Feuer zur Verfügung des K.T.K. 3 in den A 1 Graben rückte, wurde der Gefr. Frey als erster Verwundeter mit abgerissenem Arm zum Verbandsplatz in Heidweiler gebracht. 

Die kritische Stunde des Morgengrauens nahte heran. Mit fiebriger Spannung wartete man auf den Augenblick, wo das feindliche Feuer zu vernichtender Stärke hochgepeitscht, plötzlich nach hinten gleiten würde – die Minute des Infanterieangriffs. Doch es kam anders. Früh um 8 Uhr schwieg das Feuer. Alles atmete auf. Man kroch aus der dumpfigen Enge hervor und sah sich um. Das Gelände war nicht wiederzuerkennen. Man starrte erstaunt in ein Trichterfeld, in Krater von 10 m Durchmesser. Die Kompagnien gingen sofort daran, ihre Verschütteten zu bergen, die Verwundeten, deren Zahl klein geblieben war, zurückzubringen, Munition heranzuschaffen, mit den Nachbarkompagnien Fühlung zu nehmen. Die Vorkommandos benutzten die eingetretene Ruhe, um sich schleunigst wegzubegeben. An Essen hatte in den durchgemachten Stunden keiner gedacht. Jetzt wurden Brot und Kaffee von den Küchen geholt. Die Auffrischung weckte neuen Mut und die bereits verflogene Hoffnung, leichten Kaufes aus der düsteren Lage zu kommen. Denn schon waren ¾ Stunden vergangen, ohne dass das fürchterliche Toben wieder eingesetzt hätte. Aber noch mehr, es traf ein Bote mit guter Nachricht ein. Es war der Gefreite Keller von der 9. Komp., der sich am vergangenen Abend mit zwei Begleitern tapfer durch den Feuerriegel geschlagen hatte, um dem K.T.K. Meldung zu überbringen. Außer dem Befehl Hauptm. Kleiners, dass der Vorfeldgraben II zu halten sei, berichtete er, dass bei Ammerzweiler, gar nicht weit von Brünnighofen, in der Nacht ein französischer Angriff stattgefunden habe. Diese Kunde drang rasch durch die Stellung. In den Herzen zuckte die leicht bewegliche Hoffnung, dass die Schauer der Nacht ein Ablenkungsfeuer gewesen sein könnte. Doch es folgte eine grimmige Enttäuschung. Um 8 Uhr setzte das französische Feuer mit erneuter Kraft ein. Alles kroch wieder in die Stollen. In andauernder Steigerung lag das Feuer schwerer Minen und Granaten bis zu Kalibern von 28 cm auf der Stellung. Das gleichmäßige Trommeln und Schwanken des Bodens, das ständige Bereitsein zum Tode durch Volltreffer löste auf die Dauer eine stumpfe Gleichgültigkeit bei den Eingeschlossenen aus, die jedoch immer wieder durch die trockenen Bemerkungen einiger Witzbolde durchbrochen wurde. An den Ausgängen, um welche Sprengstücke schwirrten, Baumsplitter, Erdstücke spritzten, lagen die Posten und richteten von Zeit zu Zeit den Kopf dorthin, wo der Feind herabkommen musste. 

Die französische Artillerie hatte auch die deutschen Batteriestellungen, die Gefechtsstände und rückwärtigen Gräben unter heftigem Feuer gehalten. Dabei wurden dem M.G. Zug des Ltn. Kammerer in A 1 die Gewehrstände zertrümmert. In dem unweit davon gelegenen sogenannten Flankierungsgraben, der völlig eingeebnet wurde, zertrümmerten feindliche Geschosse die Unterstände des M.G. Zuges des Uo. Hohnfeld. Die Mannschaft flüchtete sich in den Zugführerstollen, der dauernd unter Feuer lag. Im Regts.-Gefechtsstand war der durch Naheinschläge erzeugte Luftdruck so stark, dass die Brieftauben davon getötet wurden. Am schwersten hatte der Gefechtsstand des K.T.K. zu leiden. Er erhielt mehrere Volltreffer schwersten Kalibers, die mehrere Stollen eindrückten und die Eingänge mit Erde verwarfen. Eine dieser gewichtigen Eisenwalzen kam als Blindgänger den Luftschacht hinabgepoltert. Ltn. Welsch und zwei Telephonisten wurden verschüttet und steckten längere Zeit in den Erdmassen, bis man sie freimachte. Hauptm. Kleiner musste seinen Gefechtsstand in einen in der Nähe liegenden Tunnel-Stollen verlegen. Die gewaltigen und großzügig angelegten französischen Feuervorbereitungen ließen höheren Ortes einen Durchbruchsversuch des Gegners durch das Heidweiler Tal längs des Kanals befürchten. Es wurde deshalb der beim K.T.K. befindliche Stosstrupp nicht vorgezogen, sondern zum flankierenden Gegenstoß für einen etwaigen Durchbruch der Franzosen durch die Sundgau-Linie bereit gehalten. Für die Vorfeldzone stand dem K.T.K. deshalb nur ein Zug der Bereitschaftskomp. Knabenschuh zur Verfügung.

Bis 12 Uhr mittags hatte der Artl.-Meßtrupp die Zahl der seit 24 Stunden auf den Abschnitt gefallenen Geschosse auf 60 – 70 000 geschätzt. Jetzt schwoll die Beschießung zu neuem Trommelfeuer an. Über der Stellung kreisten fünf französische Flieger. Sie begannen, Leuchtstoffe auf die deutschen Stollen zu werfen. Das so geleitete Feuer war von furchtbarer Wirksamkeit. Immer mehr Stollen wurden getroffen. 12.45 Uhr sah der Artl.- Verbindungsoffizier vom Niederspechbacher Kirchturm aus, wie feindliche Infanterie in Stärke von etwa 50 Mann gegen den rechten Flügel des III. Batls. vorging. Sofort wurde durch Leuchtkugeln Sperrfeuer angefordert. Es setzte ein – doch wie schwach gegen das französische Aufgebot! So klingen wohl dünne Kinderstimmen im rauschenden Sturm. Hauptm. Kessler benachrichtigte das Regiment und das III. Batl., die Nahkompagnie (7), das bayrische Nachbarbatl., die Komp. Geist und zwei schwere M.G. ständen abmarschbereit.

Das I. Batl. war im Anmarsch auf Heidweiler. Durch die Gassen dort gellten Trillerpfeifen. Alarm! – Die Leute stürzten aus den Häusern. Die Franzosen sollten schon in der Stellung sein. – Alles was an Kommandos noch im Dorfe war, raffte Ltn. Ganßmann zusammen und führte es gegen den Ortsausgang. Kurz bevor der Alarm durch das Dörfchen tobte, und seine Giebel von den sich nähernden Einschlägen immer stärker zu wackeln begannen, und jeden Augenblick die Häuser umgeschossen werden konnten, sah man einen Kompagnie- Schneider mit wippenden Schritten eine nagelneue Uniform für Ltn. Jeckel über die Straße bringen. Er trug sie behutsam wie ein Kuchenbrett und hatte sie locker mit glattem Papierbogen umhüllt, damit sie keine Falten bekomme. Der alte „Schorsch“ hätte vielleicht gesagt: „Mer wolle dene Franzose sage lasse, sie solle uffhern  zu schieße, damit dem Schneider seim Jöppche nix bassiert.“

Das feindliche Feuer hatte sich gesteigert. Ltn. Achenbach erhielt Befehl, den Reserve-Zug in den Sundgau-Graben 1 zur Verstärkung vorzubringen. In sprungweisem Vorgehen, zum Teil über freies Gelände, gelang dies ohne Verluste. Vorne hatte sich das Feuer auf die rückwärtigen deutschen Gräben gewälzt. Es lag auf der Straße Niederspechbach – Aspach und rückwärts bis Heidweiler. Die mächtigste Geschossgarbe bedeckte das Wäldchen östlich dieser Straße, wo die Bereitschaftskompagnie Knabenschuh (12) untergebracht war. In kurzer Zeit waren die Stollen bis auf drei zerschlagen und die beiden Zugangsgräben Heidweiler- und Tal-Graben zugeschüttet.

Der Posten der 11. Komp. am Küchenstollen, wo Ltn. Boysen mit zwei Stoßtrupps und der Küchenmannschaft stand, hatte das Vorverlegen des feindlichen Feuers bemerkt. „Die Franzosen sind da“ – schrie er. Alles stürzte heraus. Man sah den Feind in Schwärmen über die Höhe zur 10. Komp. hinabstürmen. Dreimal gelang es, den Gegner durch Feuer zur Umkehr zu zwingen. Das vierte Mal setzten sich die blauen Kerls fest. Auch im Abschnitt der 9. Komp. hatten sich Franzosen am Waldrand auf einem Hügel eingenistet. Eines ihrer M.G. fasste die Besatzung des Küchenstollens im Rücken und von der Seite. Ein ganzer Stoßtrupp fiel durch Tod oder Verwundung aus. Trotzdem blieben die Leute bei mutigster Stimmung.

Der Angriff der Franzosen richtete sich fast ausschließlich gegen die 9. und 10. Komp., da die Nähe ihres vordersten Grabens und das für einen Absprung vorteilhafte Waldgelände gestattete, die deutschen Verteidigungsanlagen in einem Laufe zu überrennen. Sie überfluteten rasch die meist zertrümmerten und verschütteten Stollen, und mit den wenigen kampfkräftigen Leuten, die noch rechtzeitig herauskamen, entspann sich ein höchst ungleicher Kampf. Hauptm. Kleiner hatte sofort nach Einbruch des Gegners den Stoßtrupp der Bereitschaftskomp. mit einem leichten M.G. zum Gegenstoße angesetzt. Es war eine verzweifelt kleine Schar, die dem auf zwei Komp. geschätzten eingedrungenen Gegner das Feld streitig machen sollte. Doch weiter durfte sich Hauptm. Kleiner nicht von Reserven entblößen und musste den ihm zur Verfügung stehenden Stoßtrupp II. Batls. zunächst in der Hand behalten, da bei der starken Feuervorbereitung mit weiteren Infanterieangriffen zu rechnen war. Doch ein Regen von Eisen von fast 300 m Tiefe stand vor dem Sundgau-Graben 1, den zu durchdringen für die Mannschaften Ltn. Knabenschuh’s vorerst unmöglich war. 

Major Walter, der inzwischen den Befehl über „Nord-links“ übernommen hatte, befand sich im Schlosszimmer des K.T.K.’s, umgeben von seinen Kompagnieführern, von denen sich Hauptm. Weniger und Ltn. Bockelmann kaum erst von dem Gase, das sie am Morgen in der Hölle des Vorfeldes zu schlucken bekommen hatten, erholt hatten. Er hatte sofort Vfeldw. Oppenheimer mit Stoßtrupps seines Batls. und drei leichten M.G. zur Zurückwerfung des Gegners nach vorne gesandt. Zum Nachrücken folgten Ltn. Watermann mit der 2. Komp., und Ltn. Geist mit zwei Zügen der 8. Komp., die Oberstltn. Grell zur Unterstützung nach Heidweiler befohlen hatte.

Vom Dache des Schlosses aus sah man, wie das französische Abriegelungsfeuer mit ungeheurer Stärke tobte. Es schien ein wahnwitziges Beginnen, Menschen dort hindurch gegen einen dahinter auf der Höhe liegenden ungeschwächten Feind zu schicken. Doch der Versuch musste gemacht werden. Trotz des unbekannten Geländes, des tief aufgewühlten von zerborstenen Bäumen übersäten Bodens, trotz der rasenden Einschläge drangen die Mannschaften, unterstützt von drei Trupps der 12. Komp. neben den verschütteten Gräben her frei durch den Wald in die Feuerzone ein. Doch die Franzosen hatten, von der deutschen Artillerie nur wenig gehindert, bereits mit großer Geschicklichkeit die Höhe des Vorfeldes zur Verteidigung eingerichtet und mit M.G. gespickt. Die durch den Sperriegel der Geschosse den Hang Hinaufdringenden wurden von vorn und beiden Seiten von einem so überlegenen Feuer empfangen, dass sich das Eindringen in dies für einen Angriff schon an sich so ungünstigen Gelände, ohne dass der Gegner durch Artillerie- Feuer geschwächt war, als undurchführbar erwies. Die Sundgau-Linie 1 wurde besetzt.

Indessen hatten die Franzosen in den überrannten Gräben der beiden Komp.-Abschnitte, die mit solch ungeheuren Geschossmengen verheert worden waren, nicht das leichte Spiel gefunden, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Nur dort erreichten sie ihr kurzgestecktes Ziel ohne größere Verluste, wo sie in Übermacht auf halb verschüttete deutsche Trüpplein stießen, oder an Stollen wie demjenigen der 9. Komp., wo Ltn. Grebe mit einem Teile seiner Leute rettungslos durch Schuttmassen eingesperrt war und sich verwundet ergeben musste. Ltn. Kolanczeck 9. Komp. war es gelungen, sich mit einigen Leuten freizumachen und trotz Übermacht sich nach Schleuse 28 durchzuschlagen, wo er, zu Tode erschöpft, ankam.

Ltn. Jenior 9. Komp. saß mit der Mehrzahl seiner Leute noch in dem von ihm bezogenen Talgraben-Stollen, als die Posten mit dem Rufe hereinstürzten: „Wir sind umgangen – die Franzosen kommen von hinten“. Im selben Augenblick krachten an den Ausgängen Handgranaten. Alles sprang auf. Der Führer voran, drang die Besatzung durch einen Stichgraben ins Freie, den Franzosen entgegen. Unter Hurrah, mit Handgranaten und Gewehrfeuer bahnten sie sich einen Weg durch den Gegner. Über ihnen wimmelte der Waldhang von Franzosen, um sie saß der Feind in Gruppen bereits bis zum Kanal hinab. Ein Hagel von Handgranaten fiel, von oben geschleudert, auf die Durchbrechenden. Als erster wurde der Krankenträger Wagner und dann Wehrmann Kunz tödlich verwundet. Doch viele Handgranaten krepierten nicht; die Franzosen hatten sie in der Aufregung abzuziehen vergessen.

Eine zweite Gruppe der im Stollen Eingeschlossenen unter Führung des Uo. Weber wollte zu einem anderen Ausgang heraus. Doch er war durch Handgranaten, Gewehrfeuer und Nebelbomben abgesperrt. Dreimal setzte Weber an, bis es ihm gelang, den Ausgang zu erzwingen und sich durchzuschlagen. Die Gesamtheit der sich Zurückziehenden erreichte kämpfend und ständig auf die in Granatlöchern hockenden Franzosen feuernd, den östlichen Waldrand. Diesem entlang hatte der Gegner Magnesiumteller in Brand gesetzt, um die erreichte Linie für seine Artillerie zu kennzeichnen. Für Ltn. Jenior und sein Häuflein kam jetzt eine schwierige Aufgabe, das freie Feld, auf dem das Sperrfeuer lag, zu durchqueren, um die Kanalbrücke zu erreichen. Von Trichter zu Trichter springend und verfolgt vom Feuer zweier M.G. gelangte der Trupp endlich an einen toten Arm des Kanals, in den alle hineinsprangen. Watend gelangten sie an die Brücke und erreichten mit letzter Kraft den dortigen M.G.- Stützpunkt. Dort erst merkte Ltn. Jenior, dass er verwundet war. Doch von seinen 35 Mann hatte er 29 durchgebracht. 11 von ihnen waren verwundet, Uo. Weber war bei dem schwer verwundeten Hilfskrankenträger Ott zurückgeblieben. In einem Granatloch verborgen hörte er die Franzosen umgehen. Als es dunkel wurde, schoss er erst einen Franzosen zusammen; dann rettete er seinen Verwundeten, dem sich noch ein weiterer zugesellt hatte, nach Heidweiler. Er wurde später für seine Tapferkeit zum Vizefeldwebel über den Etat befördert.

Ltn. Stahl hatte im großen Stollen am rechten Flügel seines Abschnitts mit seinen Leuten entschlossen dem französischen Angriff entgegengesehen. Alle Vorbereitungen waren getroffen, sämtliche Papiere von militärischem Interesse hatte er verbrannt. Kurz nach ½ 3 Uhr ertönte vom mittleren Stolleneingang der Ruf: „Alarm! Sie sind da!“ Ltn. Stahl stürzte dorthin – der Eingang war bereits durch Franzosen versperrt. Der Gegner war zugleich mit der Vorverlegung seines Feuers in die Stellung eingedrungen, sodass zum Verlassen der Stollen keine Zeit mehr übrig blieb. Ltn. Böhmer hatte gerade noch das Sperrfeuerzeichen abgeben können.

Ltn. Stahl’s Hoffnung war gewesen, dass einer der drei, wenn auch schwer passierbaren Stolleneingänge von den Franzosen nicht sofort bemerkt und zur rechten Zeit zum Ausfall benutzt werden könnte. Er stürzte, rücksichtslos alles zur Seite stoßend, zu dem Eingange rechts. Auch dort hieß es: „sie sind schon da!“ Er kletterte die mit Erde verschüttete Treppe hinauf, am vordersten Mann vorbei. Ein vom gegenüberliegenden Betonblock abgesprengter Klotz verengte die Öffnung. Mit der Pistole in der Hand war er fast oben angelangt, als Nebelbomben an ihm vorbeiflogen und eine meterlange Stichflamme aus einer Brandröhre neben ihm vorschlug. Er taumelte mit den ihm nachdrängenden Leuten die Treppe hinab. Ein Knäuel von Gesunden, Verwundeten und Erstickenden wälzte sich in der Tiefe stöhnend durcheinander. „Gasmaske aufsetzen“ wird gerufen, Tränen erregender Nebel beizten die Augen. Einander tretend und stoßend arbeiteten sich die Verzweifelten zum dritten Ausgange. Auch hier war es zu spaet. „Etes-vous encore là“ – hörte man die Franzosen hineinschreien. (Seit ihr immer noch am Leben?) Die Lage war hoffnungslos.

Doch der Gefr. Koll meinte, man solle noch einmal am mittleren Ausgang einen Ausbruch versuchen. Ltn. Stahl stieg mit ihm und dem Gefr. Ruppertshofen hinauf, und wie dem Wagenden das Glück so oft hilft, sie befanden sich unbehelligt am Tageslicht, in atemleichter Luft. Die Besatzung kam bis auf die Schwerverwundeten nach. Trichter und Graben am Eingang wurden besetzt. Man war wieder kampfbereit. Erst noch mit der Signalpistole einen Hilferuf an die Artillerie abgeben und dann vorwärts! Ringsum waren Feinde. Bald hier, bald dort tauchten sie mit den Köpfen, mit den halben Körpern auf. Die veränderte Lage belebt den Mut Aller. Den jungen Stoßtrüpplern machte es eine Freude, die Franzosen abzuschießen. Es war kaum möglich, die nach der dumpfen Stollenenge so plötzlich der Freiheit hingegebenen Leute in der Lust des Nahkampfes zu bändigen und vor schrankenlosem Vergeuden der Munition und Handgranaten zurückzuhalten. Es war ein ruhmreiches Fechten. Der Franzmann konnte dem Regiment wohl durch Übermacht ein paar Gräben, doch den Soldaten nicht den Mut und die Ehre rauben.

Die kleine Schar – es waren außer Ltn. Stahl, Ltn. Böhmer, Vfeldw. Seligmüller nur 25 Mann – hatte bereits bis 5 Uhr Widerstand geleistet. Durch ein aus nächster Nähe wirkendes M.G. lagen fünf der besten Leute mit Kopfschüssen am Boden, andere waren verwundet. Der französische, gefährliche Schütze wurde zwar durch eine eigene Mine erledigt, doch strömten immer neue feindliche Kräfte hinzu. Das deutsche Sperrfeuer war zu schwach, um sie zurückzuhalten. Die Minenwerfer am rechten Flügel blieben stumm, sie waren verschüttet, vier Mann ihrer Besatzung tot. Nur von der Bereitschaft her wirkte noch ein Minenwerfer übers Tal hinüber, wobei es Off.-St. Lamm gelang, ein französisches M.G., das er erkannt hatte, durch einen Treffer zu vernichten.

Ltn. Stahl, von allen Seiten abgeschnitten, war nicht imstande, sich ein Bild von der Lage zu machen. Bestand noch eine Möglichkeit die Stellung zu halten? Konnte er auf Ersatz rechnen? Er blickte ostwärts, doch zwischen ihm und den Stätten der Hilfe lag ein undurchdringlicher Rauch- und Feuerwall. Die eigenen Verluste, die bedrohliche Abnahme der Munition ließen schließlich ein längeres Ausharren am Platze als zwecklos erscheinen. Er beschloss, auf die Küchen hin durchzubrechen. Die Franzosen merkten die Absicht. Mit lautem Halloh alle ihre Kräfte zusammenrufend, eröffneten sie ein scharfes Feuer auf die Vorbrechenden. Der größere Teil derselben, unter ihnen Ltn. Böhmer, schlug in dem Getümmel eine falsche Richtung ein und lief dem Feinde in die Hände. Ltn. Stahl erreichte mit 6 Mann die Küchenunterstände. Sie waren in Sicherheit. Ltn. Boysen hatte dieselben zu einem Stützpunkt eingerichtet. Auch einige Leute des Flügelzuges der 10. Komp., die sich der 11. Komp. angeschlossen hatten, fanden sich hier. „Die Küchenunterstände, obwohl nun dicht am Feinde“ – so schloss Ltn. Stahl die Erzählung dieses kühnen Durchbruches – „waren wohlerhalten, gut geheizt und voller Betrieb. Mit unzähligen Schmalzbroten und Tee half man den Nerven wieder auf. Dann kam wieder die Sorge und Arbeit um die Stellung.“

Das feindliche Abriegelungsfeuer hielt bis zum Abend mit unverminderter Stärke an, während die Franzosen auf dem Schlachtfelde die Magnesiumflammen weiter abbrannten, vom eroberten Waldrande her die Deutschen irreführende Blinkzeichen spielen ließen, und ihre Flieger mit Lichtsignalen die Artillerie verständigten. Der Haupt- M.G.- Stand am Südwestausgang von Heidweiler wurde zertrümmert. Der Gefreite Clemens fand dort den Tod. Das Dorf selbst blieb, obwohl von Geschossen eng umdroht, im wesentlichen unversehrt. Um 7 Uhr trat Stille ein.

Hauptm. Kleiner nahm die 10. und 11. Komp. in die Sundgau-Linie 1 zurück und zog damit das zusammenhanglos zum Vorfeld hinaufragende Bruchstück der ursprünglichen vordersten Gräben aus seiner bedrohten Lage in eine natürliche und gut zu verteidigende Linie. Die Gegner befanden sich jetzt, zwischen sich die Küchenschlucht, von Höhe zu Höhe einander gegenüber. Zur Sicherung des Abschnittes „Nord-rechts“ sandte am Abend das bay. L.J.R. 15, der rechte Nachbar, eine M.G.K. und einen Zug leichter Minenwerfer zu Hilfe. Es war das gleiche Regiment, das das L.J.R. 81 bei seinem Auszuge aus den Vogesen zu Weihnachten 1915 abgeloest hatte. Abends 11 Uhr wurden zwei Kompagnien und die M.G.K. des inzwischen herbeigeholten Füsilier- Regts. 34 in der A- Linie als Sicherheitsbesatzung eingesetzt.

Das II. Batl. wurde in den französischen Angriff außer mit den beiden nach „Nord-rechts“ zur Verstärkung entsandten Zügen lediglich mit den schwachen Kräften verwickelt, denen der Schutz des Kanalüberganges anvertraut war. Die französische Artillerie hatte nach einigen Feuerüberfällen, die hauptsächlich in die Gegend des „Kuhstalles“ gingen, vom späten Abend des 6. November ab bis zum anderen Morgen den linken Flügel der Stellung II. Batls., sowie namentlich die Kanalstellung mit schätzungsweise 20 bis 30 000 Brandbomben belegt. Mittlere und schwere Granaten waren reichlich auf die Feldwachen gefallen und hatten die Gräben stark beschädigt. Der M.G.- Zug Ltn. Freunds, der den Brückenstützpunkt hielt, war von dem starken und anhaltenden Feuer sehr erschöpft, sodass er am Morgen des 7. November während der Feuerpause von dem Zuge Ltn. Bolls abgelöst wurde.

Seitdem lagen Brücken- und Kanalwache dauernd unter Trommelfeuer. Die Kanalwache, welche schon die Tage vorher mit Granaten eingedeckt worden war, wurde im Laufe des 7. November zusammengeschossen. Trotz des heftigen Feuers hatte Ltn. Blume 7. Komp., der dortige Wachhabende, den französischen Angriff erkannt, Sperrfeuerzeichen abgegeben und sofort seine Leute, soweit sie noch unverwundet waren, zusammengerafft und ein Flankenfeuer auf den vorgehenden Gegner eröffnet. Ein französischer Flieger, der niedrig über dem Kanal flog, erkannte die schiessende Gruppe. Er gab ein Signal ab. Es war erstaunlich, mit welcher Schnelligkeit sich die französischen Geschütze auf das angewiesene Ziel einspielten. Ltn. Blume wurde durch eine Granate getötet, drei Mann und ein Unteroffizier wurden verwundet. Bereits am Abend vorher hatte die Kanalwache zwei Schwerverwundete gehabt. Eine Verbindungspatrouille der 8. Komp. beteiligte sich an der Abwehr des Angriffes. Ihre sämtlichen Leute wurden verwundet. Um 3.45 Uhr erhielt der Zugführer-Unterstand einen Volltreffer. Die darin befindlichen Leuchtpatronen explodierten. Der Unterstand verbrannte, mit ihm die darin liegenden Verwundeten und Toten.

Die Franzosen waren inzwischen in „Nord-links“ bis zur Strasse Niederspechbach – Aspach vorgedrungen und gefährdeten damit die Kanalwache in ihrer linken Flanke. Eine feindliche Abteilung ging gegen die Kanalbrücke vor. Denn dort hatte die Besatzung mit ihren zwei M.G. die den Hang des Schönholzes herabflutenden Franzosen wirksam unter Feuer genommen. Eine dicht geballte Gruppe war wie hingemäht zusammengesunken. Der schwer gereizte Feind suchte sich mit aller Gewalt gegen den lästigen Gegner heranzuarbeiten, um ihn unschädlich zu machen. Einem Mann war in der Aufregung eine Handgranate losgegangen und hatte Ltn. Boll verletzt. Rasch verbunden, stürzte er mit blutüberströmtem Gesicht zu seinen Schuetzen.

Die Franzosen hatten sich, von Granatloch zu Granatloch springend, wenn auch im verlustreichen Feuer der deutschen M.G., immer näher herangearbeitet. Auf einmal schwieg das eine Gewehr, kurz darauf das zweite. Ladehemmung! Eine kurze aber verhängnisvolle Pause entstand. Um so deutlicher hörte man ein nahes Schwirren in der Luft, dann von oben herab das Knattern eines M.G.: ein feindlicher Flieger. Von ihm durch die Brust geschossen fiel der Schuetze Fries. Die Franzosen waren auf 15 Schritte heran. Jetzt ratterten die deutschen Gewehre aufs neue, um bald durch schwere Hemmungen ganz zu versagen. Alles, was noch unverwundet war, griff zur Handgranate. Es war eine kritische Lage, doch die Abwehr gelang im letzten Augenblick, der Feind erlitt nochmals Verluste und hatte keinen Mut mehr, den letzten Sprung zu tun. Aber auch bei Ltn. Boll waren viele Leute ausgefallen, und so entschloss er sich, da die Gewehre bei der Nähe des Feindes nicht wieder schussfertig gemacht werden konnten, zum Rückzug. Beide Gewehre wurden abmontiert und es gelang, über den halb zerschossenen Steg auf die andere Seite des Kanals zu entkommen.

Die französischen Flieger hatten inzwischen ihre Artillerie zur Abgabe von Gasgranaten auf das Gelände zwischen Kanal und Brünnighofen – Niederspechbach veranlasst. Die Einschläge sahen wie brennende Fontänen aus oder wie Riesenspinnen mit feurigen Krallen. Ihre im Bogen ausgeworfenen Raucharme sanken zu Boden und verbreiterten sich zu Wolken, die im Nebel zerflossen. Ihre lange, durch nachgeschossene Granaten genährte Front trieb langsam auf Niederspechbach und die dahinterstehende schwachfeuernde deutsche Artillerie zu. Trotz dieses Hindernisses erreichte der Trupp mittels seiner Gasmasken Niederspechbach. Ein Gewehr brachten sie mit. Das andere, das der unterwegs noch verwundete Träger hatte fallen lassen, wurde in der Nacht geborgen. Den Ankommenden, deren wackeres Ringen vom Kirchturm aus beobachtet worden war, wurde ein herzlicher Empfang bereitet. Ltn. Boll wurde später im Lazarett das E.K.I überreicht. 

Die zusammengeschmolzene Besatzung der Kanalwache hielt sich bis zum Abend. Dann schickte sie die Meldung, dass sie der Verstärkung bedürfe. Hauptm. Kessler befahl, dass sie nachts auf ihrem Posten bleiben und sich bei Tagesgrauen zurückziehen solle. Die Kanalbrücke wurde mit einem Unteroffizier und neun Mann besetzt. Am anderen Abend meldete Ltn. Forster, dass dieser Brückenposten nach kurzem Feuerüberfall von etwa 60 Franzosen angegriffen werde. Die Leute hielten sich bis zum letzten Augenblick und zogen sich erst zurück, nachdem sie ihre Handgranaten verworfen hatten.

Zwischen Kanal und „Kuhstall“ lag in der vorrückenden Nacht dauernd Feuer. Trotzdem gelang es der Patrouille Diehl 8. Komp. zur Brücke vorzudringen. Sie stellte fest, dass um 2 Uhr noch Franzosen dort waren, die Leuchtkugeln abschossen. Einige Stunden später fand Ltn. Kracht, der mit zwei Stosstrupps herangekommen war, um die Brücke zu nehmen, dieselbe wieder frei. Ltn. Forster besetzte sie mit einem Unteroffizierposten und einem leichten M.G. und nahm Verbindung mit der in der rückwärts befindlichen Schleuse 28 angelehnten 1. Komp. auf. Von da ab blieb dieser wichtige Posten fest in der Hand des Regiments.

Im Laufe des 8. November herrschte Artilleriefeuer von wechselnder Stärke. Das I. Batl. Füs. Regts. 34 erhielt Befehl, in der Nacht mit zwei Kompagnien und der M.G.K. die Kompagnien in A 1 abzulösen. Seine beiden anderen Kompagnien blieben als Regimentsreserve in Heidweiler. Das II. Batl. Füs. Regts. 34 lag als Divisionsreserve in Illfurt.

Man war auf weitere französische Angriffe vorbereitet. Patrouillen stellten jedoch in der Nacht fest, dass der Gegner schanze und Hindernisse anlege. In den nächsten Tagen und Nächten litt „Nord-links“ unter rasch sich folgenden heftigen Feuerüberfällen, die dem I. Batl. Verluste zufügten. Der Unterstand eines Zuges der III. M.G.K. wurde eingequetscht. Uo. Hohnfeld und ein Schütze fanden dabei den Tod, 8 Mann wurden verwundet. In „Nord-rechts“ wurden die Anmarschwege und die Ortsausgänge von Niederspechbach stark beschossen. Die Franzosen befürchteten Gegenangriffe. Ihre Nervosität verriet sich bei Nacht durch das gehäufte Abschießen von Leuchtraketen. In der Tat sollte das Schönholz von dem Sturmbataillon wieder genommen werden. Doch die Schwierigkeit der Annäherung an die überhöhende französische Stellung und die Notwendigkeit, bei einem Unternehmen, sollte dasselbe von dauerndem Erfolge sein, auch die hinter dem Schönholz gelegene Höhe nehmen zu müssen, hätten eines wesentlich stärkeren Infanterie – Einsatzes und namentlich einer Heranziehung größerer Artilleriekräfte bedurft. Man sah deshalb von einem Vorstoße ab und begnügte sich, mittels der inzwischen verstärkten Batterien, dem Gegner den Besitz des Schönholzes zu verleiden.“

Auf französischer Seite waren an diesem Angriff das 17. und 60. Bataillon Chasseur à Pied (Jäger) beteiligt. Sie nahmen dabei drei deutsche Linien, gewannen 500 Meter Gelände und machten fast 200 Gefangene. 

Die Regiments Geschichte L.I.R. 81 ist, was die Anzahl der in Gefangenschaft geratenen betrifft, sehr zurückhaltend. Sie spricht von 41 Gefangenen und 75 Vermissten.