Teil 8: Brigade von Bodungen

 

Die Brigade v. Bodungen, benannt nach Generalleutnant von Bodungen, Kommandant der Oberrheinbefestigungen, war deutlich schwächer besetzt als die Nachbarbrigaden Dame und Mathy. Sie bestand aus dem Landwehr-Infanterie-Regiment (L.I.R.) 109, vier Eskadron Dragoner 25, ein Zug Festungs- M.G., sowie einer Feld- und einer Haubitz- Batterie der I. Ersatzabteilung des Feld-Artillerie-Regimentes (F.A.R.) 67. Das I. Bataillon L.I.R. 109 wurde in Konstanz, das II. und III. in Lörrach mobilisiert. 

Auf französischer Seite wurde nach der  ersten Schlacht bei Mülhausen schon am 10. August 1914 ein neuer Verband, die Armée d’Alsace unter dem Kommando von General Pau, aufgestellt. Diese Armee bildete die südliche Kampftruppe des französischen Heeres, deren Aufgabe der Angriff auf die in Elsass-Lothringen stehenden deutschen Kräfte war. 

Der Vormarsch der Brigade v. Bodungen erfolgte am 18.August 1914 vom Brückenkopf Hüningen aus, über Michelfelden- Blotzheim und Niederranspach. Schon am Ortsausgang von Niederranspach stieß die Spitze der Infanterie auf eine französische Patrouille 12er Husaren. Ein Husar wurde verwundet, ein Unteroffizier gefangen genommen. Gegen 11 Uhr wurde bei Dreihäusern (heute: Les Trois Maisons) Halt gemacht. Nach dem Weitermarsch erfolgte gegen 3 Uhr nachmittags der Befehl zum Übergang zur Ruhe. 

Das III. Bataillon kam auf Vorposten, 9. und 11. Kompanie in Helfrantskirch, 12. Komp. in Bürglin (am Nordrand von Jettingen), 10. Komp. in Dreihäusern, II. Batl. in Stetten, I. Batl. in Kappelen. Eine Radfahrerpatrouille klärte in Richtung Tagsdorf, eine Kavalleriepatrouille in Richtung St. Apollinar bei Volkensberg (heute Folgensbourg) auf. Dabei wurde französische Kavallerie bei Zässingen festgestellt.

Am nächsten Morgen, den 19. August, wurde der Vormarsch in Richtung Tagsdorf um 7:20 Uhr fortgesetzt. Die Artillerie war noch nicht am Sammelplatz eingetroffen. Gegen 9 Uhr kam es nahe bei Tagsdorf zum ersten Zusammenstoß der Gegner. Zwei Schwadronen französische Kavallerie der 4. Chasseurs d’Afrique waren von Tagsdorf nach Walbach unterwegs, als sie den Anmarsch der deutschen Truppen bemerkten und diese angriffen. Man lies die Reiter nahe herankommen, bevor das Feuer eröffnet wurde. Durch Schnellfeuer wurden die zwei französischen Schwadronen in kurzer Zeit zusammen geschossen. 27 Gefangene wurden nach Lörrach abtransportiert.  Am nächsten Tag hatte ein Korrespondent der „Basler Nachrichten“ in Lörrach Gelegenheit, mit einigen dieser Gefangenen zu sprechen. Er fand sie sehr gut, ja schmuck ausgerüstet und in gutem Gesundheitszustand. Ihren Misserfolg schrieben sie der Tüchtigkeit der deutschen Infanterie und der großen Reichweite ihrer Gewehre und Maschinengewehre zu.
Dieses „Gefecht bei Tagsdorf“ wurde in der Literatur mehrfach erwähnt (siehe auch: Der Todesritt der afrikanischen Jäger – Tagsdorf am 19. August 1914. und Bei Tagsdorf wars...). Oft stark überzogen und patriotisch verklärt. Die Schilderung eines badischen Offiziers, die der Wahrheit wohl am nächsten kommt wollen wir hier wiedergeben:

„Also, die Feuertaufe haben wir erhalten! Und das nicht zu knapp. So fürchterlich und schrecklich hätten wir alle uns ein schweres Gefecht nicht vorgestellt. Durch einen gewaltsamen Vormarsch mussten wir die Stellung der Franzosen, die sich bei Altkirch/Tagsdorf verschanzt hatten, erkunden und die Truppen dort festhalten, damit sie sich nicht nach Norden, wo die Hauptschläge erfolgen sollten, wenden konnten. 
Dies hatten wir auch erreicht, allerdings mit nicht unerheblichen Verlusten auf unserer Seite. Wir fochten mit drei Infanterie-Regimentern, drei Schwadronen und etwa zwei Abteilungen Artillerie gegen ein französisches Armeekorps und eine Kavalleriedivision. Die Stärke des Gegners konnten wir aus dem Korpsbefehl eines gefangenen französischen Majors, der diesen bei sich trug, feststellen. Wir selbst, unser Detachement, focht unter Exzellenz v. Bodungen ganz auf dem linken Flügel. Meine Kompanie war als die vorderste, die Spitzenkompanie, beim Vormarsch befohlen. Etwa anderthalb Stunden ritt ich als vorderster Mann dem Feinde entgegen. Kurz vor Tagsdorf erhielten wir die ersten feindlichen Schüsse. Kurz darauf wurde meine Kompanie durch zwei Schwadronen französische Kavallerie von rechts angegriffen. Es gelang uns, diesen Angriff rechtzeitig abzuschlagen. Dies war wohl der großartigste Augenblick des Tages, aber auch zugleich der Traurigste. Durch wahres Schnellfeuer war in wenigen Minuten die ganze Schwadron zusammengeschossen und Ross und Reiter wälzten sich im Blute. Die armen Pferde und die tollkühnen Reiter! 27 Chasseurs d’Afrique lieferte ich dem Regiment als unverwundete Gefangene ab. Ich selbst habe auch einen vollständig gesattelten Araberhengst erbeutet und reite ihn seit dem Tage von Tagsdorf. Der Kavallerieangriff fand morgens um 9 Uhr statt.“ 

Danach entfalteten sich die Truppen in Richtung Tagsdorf, da bekannt war, dass Tagsdorf und die Höhen westlich davon von feindlicher Infanterie besetzt war. Die Batterien gingen links und rechts der Strasse in Stellung. Der deutsche Angriff entwickelte sich flüssig. Tagsdorf wurde dem Feind entrissen. Der Kampf um Tagsdorf dauerte bis in die Abendstunden. 

Eine Quelle erwähnt einen französischen Gegenangriff:

"Am Nachmittag setzte die französische Infanterie aus dem Emlinger Wald zum Angriff an. Von unseren überhöhten Stellungen konnten wir genau sehen, wie Zug um Zug, Gruppe um Gruppe aus dem Walde auf das freie Feld heraus sich entwickelte, mit einer Genauigkeit der Glieder- und Schützenabstände und einer Kühnheit, die Bewunderung erregte. Da wurden sie aber von unserer Artillerie gefasst und zusammengeschossen, ehe sie sich nur recht entwickeln konnten. Das war entsetzlich großartig! Vergebens flüchteten sich die Reste unter die Nussbäume auf den Getreidefeldern! Unsere Artillerie vernichtete sie auf 1800 Meter restlos. Das war überwältigend, aber schauerlich und niemals werden wir dieses Bild vergessen: die roten, zahlreichen Punkte der toten und verwundeten Franzosen im goldenen Getreidefeld."

Der schon oben erwähnte Offizier schrieb über den Kampf um Tagsdorf weiter:

„Nun erhielt ich den Befehl, mit meiner Kompanie in das Dorf einzudringen. Unter dem heftigsten Granat- und Schrapnellfeuer der französischen Geschütze erreichte ich in wenigen Sprüngen das Dorf, schickte die hälfte der Kompanie unter meinem Leutnant links, ich selbst drang mit dem übrigen Teil der Kompanie rechts in das Dorf ein. Mit vorgehaltenem Revolver und Gewehren drangen wir in die Häuser ein, um nach Franzosen zu suchen, da aus Häusern hier und da geschossen wurde. Wir fanden jedoch nichts, außer zwei stöhnenden französischen Verwundeten. Auf den Strassen sah es schon übler aus, tote Pferde und Menschen und eine unheimliche Stille, da sich alle Bewohner in die Keller verkrochen hatten. So gelangten wir unter mäßigem Feuer an den jenseitigen Dorfrand. Ich besetzte sofort den Dorfausgang nach Emlingen, von wo aus am heftigsten auf uns geschossen wurde. In dieser Stellung lagen wir nun bis 6 Uhr abends unausgesetzt im heftigsten Maschinengewehr- und Infanteriefeuer. Manch braver Kameraden musste ich aus der Schützenlinie schleppen lassen.
Nach 6 Uhr ließ das Feuer der Franzosen nach. Ich benutzte die Pause, um nach den Verwundeten zu sehen, die im Schulhaus und in Scheunen kunterbunt mit Franzosen zusammen lagen. Das war auch ein grausiges Bild! Noch schwankte die Leitung, ob man in Tagsdorf die Nacht über bleiben sollte oder nicht, als sich plötzlich ein französischer Flieger über dem Dorf zeigte und kurz darauf auf französischer Seite landete. Kaum fünf Minuten nachher richtete die französische Artillerie ein unglaubliches Granat- und Schrapnellfeuer auf das Dorf. Man glaubte, die Hölle käme, im Nu waren einige Häuser in Brand geschossen. 
Jetzt war für uns der Moment gekommen, diesen Höllenschlund zu verlassen, und wir zogen uns, jede Deckung benutzend, auf unsere erste Stellung hinter das Dorf zurück. Bei diesem Artilleriefeuer hat es noch manchen gekostet; im Schulhaus, wo unsere Verwundeten lagen und wo die Wagen zum Transport bereitstanden, schlugen die Geschosse ein. 
Das war entschieden der gefährlichste Moment des ganzen Schlachttages. Wir zogen uns durch Wiesen zurück und mussten dreimal fast bis zur Brust reichende Bäche durchwaten. Das war ein kaltes Vergnügen. Am Abend gegen 9 Uhr. Die Bataillone wurden gesammelt und nach Hause marschiert. Morgens um halb fünf kamen wir in Haltingen an. 
Das war der Tag von Tagsdorf! Fast zwei Stunden Anmarsch, dann elf Stunden Gefecht und dann siebeneinhalb Stunden Heimmarsch; eine kolossale Leistung für die Landwehrleute.“ 

Das französische 157 R.I. wurde zerschlagen und geworfen. General Plessier und sein Adjutant fielen, man fand sie erst später am Ufer eines  Baches in der Nähe von Emlingen. Ihr Tod blieb der französischen Führung lange Zeit unbekannt. Führerlos geworden, flutete die französische Infanterie bis Walheim zurück. Nun machten die beiden Batterien Stellungswechsel nach vorn und gingen bei Schwoben bzw. St. Britzen in Stellung. Gegen 11 Uhr traf auf französischer Seite Oberst Buchner mit den beiden Regimenter 97 und 159, sowie einer Artillerie Abteilung zwischen Aspach und Walheim ein. Die üble Lage an der Front wurde z.T. durch Fliegererkundung erkannt. Oberst Buchner übernahm die Führung und setzte sofort das 97 R.I. nach Obermorschweiler und die 159er nach Lümschweiler in Bewegung. Zwei Artillerie Abteilungen gingen zwischen Aspach und Walheim auf den Höhen in Stellung. Nach ausgiebiger Artillerievorbereitung begann am späten Nachmittag der Gegenangriff auf der ganzen Linie. Gleichzeitig ging die rechte Kolonne mit dem 157 R.I., unterstützt durch drei Batterien, über Emlingen vor und griff Tagsdorf an. General v. Bodungen wartete die Auswirkungen dieses überlegenen Angriffs nicht ab, sein Auftrag war erfüllt, und er wich geschickt aus. Seine Brigade hielt noch eine Aufnahmestellung und nachdem der Rückzug der Brigaden Mathy und Dame bekannt geworden war, marschierte man in der Nacht nach Hüningen zurück. Eine Verfolgung von Seiten der Franzosen erfolgte nicht. Die französische 44. Division war schwer hergenommen und musste zunächst retablieren und ihre Verbände neu ordnen. 

Soweit die Darstellung der Ereignisse um Tagsdorf auf deutscher Seite. Was sich bei der französischen Truppe abgespielt hat, berichtet der Hauptlehrer Schwieg aus Altkirch. Seine Tagebuchaufzeichnungen hatte er in einer Artikelreihe unter dem Titel „Kriegstage in Altkirch“ in der Elsässisch-Lothringischen Schulzeitung 1914/15 veröffentlicht. Nachfolgend die Seiten, welche sich auf das Gefecht bei Tagsdorf beziehen:

„17.8. Vorposten der 11. französischen Dragoner reiten bis Wittersdorf, kehren eiligst zurück und verlassen Altkirch.

18.8. Nachmittags halb zwei Uhr. Ein französisches Kavallerieregiment (Chasseurs d’Afrique) reitet nach Wittersdorf. Den vorgeschobenen Reitern folgen abends gegen 7 Uhr große Heeresabteilungen. Einer bunten Riesenschlange gleich, winden sich die Bataillone und Batterien um den illumflossenen, basteiartig vorspringenden Hügel, der auf seinen Abhängen die Häuser der Stadt trägt. Unaufhörlich wirbelt der Staub empor, fliegt den Soldaten in die schweißtriefenden Gesichter, dörrt die Kehlen aus und setzt sich in der Wolle der schweren Uniformen fest. Unaufhörlich folgen sich Radfahrergruppen, Kompanien, Bataillone, Regimenter, Stäbe, Batterien um Batterien, bis die Krankenwagen, die Geschosswagen und die Bauernfuhrwerke den ungeheuren Zug schließen. Hin und wieder sausen Kraftwagen heran, überholen die in ruhigem Marschschritt sich bewegenden Heeressäulen, vermehren noch den lästigen Staub und verschwinden in der Richtung nach Mülhausen. Wohl zwei Armeekorps zogen am 18. und 19. August hier durch, dem Rhein zu, dem vielumstrittenen......

Mit den Stäben kamen die Fahnen. Ein General ergrimmte, als er bemerkte, dass niemand grüßte. Er streckte den Revolver vor und schrie: „Hut ab! Mützen ab!“
Am Mittwoch, den 19. morgens gegen 10 Uhr, rückte das 159. Inf. Regt. An, chasseurs alpins. Leichten Schrittes kam das stattliche Regiment den Sägeberg hinauf. „Hoch am Gewehr den Blumenstrauß“, grüne Zweige in den Tornistern tragend, kamen sie daher, lauter junge Leute. Maultiere trugen ihre Geschosskisten. Tellermützen und Wickelgamaschen gaben ihrer Kleidung ein besonderes Gepräge. Der sonnige Augusttag sollte für das schöne Regiment zum „Dies irae“ werden. Von diesem 19. August ist schon manches geschrieben worden, was den Tatsachen nicht entspricht, aber anscheinend um so schneller zur Legende zu werden droht. 
Ich teile hier nur mit, was ich an Ort und Stelle erkundigte, was ich von mitkämpfenden Kollegen erfuhr, und was ich selbst sah. Zweifellos hat die deutsche Heeresleitung gewusst, welchen an Zahl überlegenen Kräften die oberrheinischen Deckungstruppen am 19. August gegenüber standen und hat dennoch, der Angriffsmethode getreu, den zum zweitenmal einbrechenden Feind auf dem von Mülhausen bis in die Nähe von Altkirch sich erstreckenden Hügelzug an drei Stellen angegriffen, bei Dornach, Flachslanden und Tagsdorf. Das Gefechtsfeld von Tagsdorf zieht sich von der „Hohen Strasse“ über EmlingenObermorschweiler und Lümschweiler nach Tagolsheim.

Am frühen Morgen ritt eine Schwadron der afrikanischen Jäger aus Tagsdorf hinaus nach Heiweiler. Gleich nach dem Dörfchen bringen Vorposten die Meldung, dass auf der „Hohen Strasse“ deutsche Truppen im Anmarsch sind. Die Schwadron schwenkt rechts ab und reitet über den Wiesengrund dem Feinde entgegen. Die Landwehrleute lassen die Reiter auf eine kurze Entfernung herankommen. Jetzt ergeht der Befehl: „Gut zielen, ruhig feuern, erst die Pferde!“ Da wälzen sich 45 Pferde und 14 Reiter im Todeskampf. 27 Jäger werden gefangen genommen. Ledige Rosse sprengen hinunter bis nach Hausgauen. Der Rest der Schwadron entkommt. 
Nun nehmen die 109er und die ihnen beigegebenen vier Geschütze ihre Gefechtsstellung ein. Den von Altkirch nach Wittersdorf marschierenden Alpenjägern folgt ein ganzes Artillerieregiment. Bei St. Morand kommt der Zug plötzlich ins Stocken. Gegenüber Emlingen ist die Vorhut in das feindliche Feuer geraten. Sofort fährt die Artillerie den Ostabhang des Klosterwaldes hinauf und sendet bald von vier Stellen aus die Granaten gegen die deutsche Batterie. In der Nähe der Artillerie-Stellung warfen die Alpenjäger Schützengräben auf bis in die Nähe des Schweighofes, schlagen hier sogar Schießscharten in die Mauer des Hauptgartens. Ein blutiger Kampf entspinnt sich. 
Ein verwundeter französischer Leutnant erzählte mir folgendes darueber: „Le combat a commencé vers 11 heures du matin. Nous étions supérieurs en nombre et nous avions beaucoup plus d’artillerie. Les Allemands avaient une meilleure position. L’infanterie allemande avait le tir absolument sûr, mais leur artillerie n’ a pas pu entrer en action.“ („Der Kampf begann gegen 11 Uhr vormittags. Wir waren an Zahl überlegen und hatten viel mehr Artillerie. Die Deutschen hatten die bessere Stellung. Die deutsche Infanterie hat einen unbedingt sicheren Schuss; aber ihre Artillerie konnte nicht in Tätigkeit treten“.)
Die Verluste der Franzosen waren entsetzlich. Ganze Haufen Verwundeter fanden sich im Hofe der Illmühle zusammen, um dort Notverbände anzulegen.
„C’est une boucherie, pas une bataille“, klagte einer dem Müller. („Das ist eine Schlaechterei, keine Schlacht“).
Nach 5 Uhr flutete eine große Menge Unverwundeter bis Altkirch zurück. Auf dem Versammlungsplatz trat ihnen der das Gefecht leitende Oberst mit dem Revolver in der Faust entgegen und trieb sie mit der Drohung: „Tas de chiens, je vous donne une minute!“ ins Feuer zurück. („Ihr Schweinehunde, ich gebe euch noch eine Minute Zeit!“) Mit den Worten: „Nous allons nous faire finir“ („wir lassen uns kaputt machen“) leisteten sie zaudernd und widerwillig dem Befehle Gehorsam. 
Ein letzter unvermuteter Angriff brachte gegen 8 Uhr abends Tagsdorf in die Hand des Feindes. Während der Nacht zog die deutsche Landwehr nach Hüningen zurück. Die Verluste der Alpenjäger betrugen 340 Tote und über 1000 Verwundete, die Verluste der Landwehr 73 Tote und etwa 300 Verwundete. 
In Emlingen liegen in einem Massengrab 117 Franzosen und 8 Deutsche. Ein französischer Offizier trug diese Zahlenangaben und die Namen der gefallenen französischen Offiziere in das Standesregister zu Emlingen ein und ließ den Eintrag vom Bürgermeister unterschreiben. 

Ein ähnliches Schicksal wie das 159. Regiment erlitt das 253. bei Flachslanden. Es ließ über 400 Tote und an 1200 Verwundete auf dem Kampfplatz zurück. Der längste Augusttag geht auch zu Ende, aber in Altkirch blickten wir am 19. doch sehr oft nach Westen, ob die Sonne nicht bald untergehe. Da hing sie über den Bergen wie eine prall gefüllte Blutblase. Aber noch nach ihrem Verschwinden rollte der Geschützdonner weiter bis zur einbrechenden Nacht. Abends waren unsere am 13. fast geleerten Schulsäle wieder mit Verwundeten angefüllt. Der riesige Kornhaussaal, die Aula und die Klassenzimmer des Gymnasiums, sämtliche Räume des Zollamts, jeder nur verfügbare Raum wird zum Lazarett.

Den Aufregungen des Tages (19. August) folgte eine ruhige Nacht, deren Stille nur durch das Schnauben und Stampfen der vor dem Schulhaus unter den Linden der Promenade angebundenen Pferde und Maulesel gestört wurde. Viele Verwundete waren bei Einbruch der Nacht in Schulsälen und Scheunen der dem Gefechtsfeld zunächst liegenden Dörfer verpflegt worden. Am Donnerstag brachte man die meisten nach Altkirch, die letzten am Samstag. Die Maulesel, welche die todbringenden feindlichen Geschosse geduldig ihrem Regiment nachgeschleppt hatten, schleppten jetzt auf kleinen Tragsesseln ebenso geduldig die Opfer der deutschen Kugeln zum Krankenbett. Als das zu langsam ging, mussten Bauern ihre Pritschenwagen mit Stroh belegen, die Verletzten aufladen und durch ihre Ochsengespanne nach Altkirch ziehen lassen. Aus Belfort kamen im Laufe des Tages 130 Lazarettgehilfen, von denen die meisten bald nach Mülhausen weiterfuhren. Die hier zurückgebliebenen bekundeten eine ganz merkwürdige Auffassung ihrer Pflichten. Sprach man sie um irgend einen Dienst an, so lautete ihre immer wiederkehrende Antwort: „A quell division appartient le blessé?“ (Welcher Division gehört der Verwundete an?). Die kannte man natürlich nicht und die „infirmiers“ trottelten nach der Antwort: „S’il n’est pas de ma division, cela ne me regarde pas“, („wenn er nicht von meiner Division ist, so geht es mich auch nichts an“) selbstzufrieden von dannen....

Donnerstag Nachmittag 5 Uhr mache ich einen Rundgang durch die Stadt. Vor dem Kirchhof lagert das Reserve- Regiment 372, lauter bärtige, gesetzte Männer. Am Bahnhof steht ein Zug bereit, um die Leichtverwundeten, die man in Krankenwagen und Automobilen herbeiführt, nach Belfort zu bringen. Über die Illbrücke kommt ein Trupp derselben zu Fuß. Durchaus niedergeschlagen, mit verbitterten Zügen, schreiten sie gesenkten Hauptes dahin. Auf der Strasse nach Ballersdorf steht eine lange Reihe von Tramwagen auf mächtigen Kautschukrädern. 
Ich gehe ins Gymnasium. Von Bauernfuhrwerken im Hof werden eben Verwundete abgeladen, deutsche Landwehrmänner. In der Rundung des Haupteinganges sitzt der Regimentsschreiber an einem Lehrerpult und stellt die Listen der Verletzten auf. In den Klassenzimmern liegen die Soldaten in Betten. Als ihrer zu viele kamen, legte man sie in die Aula. Mann an Mann auf dicke Strohschichten. Gänzlich erschöpft von den Anstrengungen der Märsche, den Aufregungen des Gefechtes und dem Blutverlust liegen die meisten teilnahmslos da und starren ins Leere. Die Verwundungen sind zum Teil schrecklich. Der Kopf eines Alpenjägers ist ganz schwarz, am Hinterhaupt quillt das Gehirn heraus. 

Im Lazarettraum der Jourdainschen Fabrik liegen die Verletzten in kistenähnlichen, niedrigen Verschlägen auf Stroh. Gleich rechts beim Eingang stehen einige Feldbetten. Hier liegen ein General und mehrere Offiziere. Unruhig windet sich der durch die Brust geschossene Divisionsgeneral Plessier auf seinem ärmlichen Lager in großen Schmerzen. Auf dem Fensterbrett nebenan sieht man sein Käppi, den Feldstecher und die Kartentasche. Einem Jäger ist die Kugel in die linke Schädelhälfte eingedrungen und beim Auge herausgetreten. Er ist rechtsseitig gelähmt, der Sprache beraubt und so kraftlos, dass er nur durch leises Streicheln mit der linken Hand seiner Pflegerin danken kann. 

In den Schullazaretten liegen Deutsche und Franzosen nebeneinander. Ein schwer verletzter Badener betrachtet mit Grauen sein zerschossenes Bein, an dem schon der Knochenfraß beginnt. Über 24 Stunden lag er unverbunden im Freien! Schwer drückt ihn die Sorge um Frau und Kinder die in Gutach in qualvoller Sorge sich verzehren. Wenn die Ärzte ihren Besuch im Saale der Schwerverwundeten beendet haben, herrscht hier unheimliche Stille. Des Todes Flügelschlag berührt die Betten der Helden, die so standhaft ihre Leiden ertragen, deren Lippen nur selten ein ächzender Wehlaut entfährt. Noch mancher von ihnen lag bald unfern der im Kampf Gefallenen in der blutgetränkten Sundgauerde und mancher Vater im Schwarzwald und manche Mutter in Korsika wird seufzend mit Liliencron fragen: „Mein Sohn, verscharrt im Sand, wer weiß, wo?“

Mit einer für die Verletzten höchst nachteiligen Hast betrieben die französischen Offiziere ihre Fortschaffung nach Belfort. Nur wenige blieben zurück. Die allerletzten starben nach einigen Wochen im Krankenhaus St. Morand."

Auch auf deutscher Seite sah die Bilanz des 19. August 1914 nicht gut aus. Man hatte mit den drei schwachen Brigaden Mathy, Dame und v. Bodungen die gesamte Armée d’Alsace angegriffen. Entschieden wurden die drei räumlich getrennten Gefechte jeweils durch das Eingreifen der starken französischen Feldartillerie. An die 3000 Mann haben die drei deutschen Brigaden an Toten, Verwundeten und Gefangenen verloren, 5 Batterien wurden vernichtet. Allein das L.I.R. 40 hat bei Dornach in wenigen Stunden 800 Mann und die meisten Offiziere verloren, 1200 Mann gerieten verwundet oder unverwundet in Gefangenschaft.  

Am 25.8. wurde die Armée d’Alsace, nach einer Lebensdauer von nur 14 Tagen wieder aufgelöst. Und in derselben Nacht zogen sich die französischen Truppen wieder aus Mülhausen zurück. 

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Quellen:
- Regiments Geschichte des Landwehr Infanterie Regiment Nr. 109
- Hans Killian, Totentanz auf dem Hartmannsweiler Kopf
- A. Cerf: Der Krieg an der Juragrenze, 1930
- Der Weltkrieg, Reichsarchiv, 1925
- A. Wirth, Der Kampf um den Hartmannswillerkopf,
- Kriegszeitung der 8. Landwehr Division