Anfang August beim Badischen Feldartillerie Regiment Nr. 76
Das Gefecht bei Altkirch – Erste Artillerieschüsse an der Westfront - Fassbier aus Walheim – Altkirch Feier – Bericht eines Oberleutnants über das Gefecht bei Altkirch
Die Garnison des Regiments befand sich in der Hugstetter Straße in Freiburg. Bei der Mobilmachung ging es in der Kaserne lebhaft zu. Eine Anhäufung von Pferden war unvermeidlich, was zur Folge hatte, dass sie trotz Regens Tag und Nacht draußen auf den offenen Reitplätzen stehen mussten. Nicht minder machte sich dieser Übelstand bemerkbar bei den zahlreich eintreffenden Ersatzmannschaften, die nicht alle in der Kaserne unterkommen konnten. Es war notwendig, die einzelnen Formationen, die das Regiment aufstellte, mit Mann und Pferd auf einzelne in der Nähe der Garnison liegende Orte zu verteilen und einzuquartieren und dort die Mobilmachung zu vollenden.
Der Regimentskommandeur, Oberst v. Ostrowski
Nachdem die gesamte I. Abteilung in den Tagen des 1. bis 3. 8.1914 per Bahn nach Mülhausen abtransportiert war, rückte in den frühen Morgenstunden des 7. August der Rest des Regiments mit dem Trompeterkorps an der Spitze aus. Trotz der frühen Tageszeit hatte es sich ein großer Teil der Freiburger Bürgerschaft nicht nehmen lassen, mit Blumen und Händedrücken dem Regiment das Geleit zu geben. Schmetternd klangen zum letzten Mal die alten Reitermärsche durch die Straßen der Stadt. Das Regiment marschierte in die Gegend von Müllheim–Neuenburg.
Die ersten Kriegstage der 2. Batterie
Der Abteilungsstab und die 2. Batterie fuhren am 1. August abends 9:40h vom Güterbahnhof in Freiburg ab. Der Eisenbahnzug fuhr mit den vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen (Lokomotive mit einem Offizier, jeder offene Wagen mit einem Posten besetzt) und traf abends 11:45h auf dem Güterbahnhof in Mülhausen ein. Am Sonntag, 2. August gelang es unserer Batterie, vom Dragoner Regiment 6 Karabiner zu erhalten; dadurch erfüllte sich ein von den meisten Artilleristen ersehnter Wunsch.
Stab und Trompeterkorps beim Ausmarsch aus Freiburg am 7. August 1914
Um 1 Uhr nachmittags wurde die Abteilung auf das Gerücht hin alarmiert, dass der Gegner bereits in die Gegend von Altkirch vorgedrungen sei. Da dies aber auf einer falschen Meldung beruhte, konnte die Abteilung wieder einrücken. Um 11 Uhr abends wurde die Abteilung erneut alarmiert und erhielt den Befehl, sich in die Kaserne des Infanterie Regiment 112 zu begeben, um von dort aus den Rückmarsch nach Neuenburg anzutreten. Nach einem etwa halbstündigen Halt in der Stadt kam aber der Befehl, wieder in die Kaserne zurück zumarschieren, wo die Abteilung um 1 Uhr eintraf.
Am 3. und 4. August hielt die Batterie Geschützexerzieren, sowie eine Fahrübung ab; ferner Übungen mit Fernsprech- und Winkergerät, sowie Unterweisung im Kartenlesen und in der Marschdisziplin.
Am 5. August fand in der Kaserne des Infanterie Regiment 112 ein Festgottesdienst statt, an dem eine Abordnung der Batterie teilnahm. Gegen 1:30 Uhr nachmittags erhielt die Batterie Befehl zum Abmarsch. Mit dem III. Bataillon des I.R. 112 sollte sie ein Detachement bilden mit dem Zweck einer gewaltsamen Erkundung in Richtung Delle. Um 4 Uhr wurde in die 112er Kaserne vorgerückt, und um 5 Uhr trat die Batterie mit einem Zug der I. Munitions- Kolonne den Marsch über Brunstatt, Illfurt nach Altkirch an, und zwar im Gros zwischen der 11. und 12. Kompanie. Es war eine Marschleistung von 21 km. Die Sonne brannte fürchterlich, erst abends trat eine Abkühlung ein. Das Detachement traf um 9 Uhr in Altkirch ein und beendete dort den ursprünglichen bis zur Reichsgrenze geplanten Marsch, da infolge der übergroßen Hitze fast die Hälfte der Infanteristen rechts und links der Marschstraße liegen geblieben war. Die Unterbringung der Batterie erfolgte in St. Morand und Klostermühle in engen Quartieren. Die Aufnahme und Verpflegung durch die Schwestern des Klosters war sehr freundlich und gut.
Am 6. August erhielt die Batterie aus Niederspechbach zehn Pferde; an diesem Tage fand dann noch eine Pferde- und Materialbesichtigung statt, nachmittags noch ein Preisrichten, an dem sämtliche Unteroffiziere und Richtkanoniere teilnahmen. Es war eine gute Vorbereitung für den folgenden Tag. Um 6 Uhr kam der Befehl, dass sich die Batterie abmarschbereit halten sollte.
Das Gefecht bei Altkirch
S chon am 6. August hatte die Batterie den Auftrag erhalten, auf den Höhen um Altkirch eine Stellung zu erkunden mit Schussfeld nach Dammerkirch, woher der Feind gemeldet wurde. Leutnant von Wild erkundete verschiedene Stellungen, wovon die am Rebberg am geeignetsten erklärt wurde. Der Befehl am 6. August lautete dahin, dass die Batterie am nächsten Morgen um 4:30 Uhr in der befohlenen Stellung zu stehen hat. Noch am Abend erfolgten genaue Erkundungen der Stellung durch Lt. v. Wild, die Aufstellungspunkte der einzelnen Geschütze wurden festgelegt, ebenso der Anmarschweg durch weiße Bänder.
Am 7. August, 4:15 Uhr morgens rückte die Batterie in die Stellung ein und begann mit Schanzarbeiten, die bis 8 Uhr beendet waren. Gegen 9:30 Uhr traf die Meldung ein, dass stärkere feindliche Kolonnen mit Artillerie auf Dammerkirch und Largitzen in Anmarsch seien. Um 11 Uhr vormittags wurde das Feuer eröffnet gegen feindliche Maschinengewehre und Kavallerie, die bei Strohütte erschienen, woselbst sie durch unsere Schüsse bald wieder zurück geworfen wurden.
Feuernde Batterie F.A.R. 76
s sei hier noch bemerkt, dass die Kanonen der 2. Batterie als die ersten deutschen Geschütze des Weltkrieges das Feuer auf die Franzosen eröffneten. Dieser Umstand lies uns alle ein kräftiges Hurra ausrufen in dem Augenblick, wo durch den ersten Zug unserer Batterie der seit 1871 ruhende Artilleriekampf mit Frankreich wieder aufgenommen wurde.
Erhöht wurde diese Stimmung, indem uns kurz bevor in rührender Weise die Bewohner des Dorfes Walheim (siehe Walheim Ost, Walheim West und Tagolsheim und Walheim: Stollenbau), die uns aus den Manövern des Jahres 1912 in lieber Erinnerung waren, damit begrüßt hatten, dass sie ein ganzes Fass Bier mühsam den Berg hinauf bis in unsere Feuerstellung hatten rollen lassen. So leerten wir denn jeder einen Feldbecher auf einen glücklichen Kriegsausgang und auf das besondere Wohl der gastlichen Bewohner des Dorfes Walheim.
Bald darauf erfolgte Zielwechsel auf Kavallerie, die von Südwesten nach Nordosten zog. Darauf schwenkte die Batterie nach rechts und beschoss Infanterie, die aus der Waldparzelle südwestlich Bannholz kam. Noch weiter links wurde Infanterie bei Carspach beschossen, die schnell zurückwich. Weiter trat fahrende Artillerie nordwestlich von Bannholz auf, die mit 3800 unter Feuer genommen wurde. Ein weiteres Ziel bildeten Maschinengewehre, die in südwestlicher Richtung am Waldrand von Carspach auftauchten (Entfernung 4200). Mit vorzüglicher Wirkung konnten vorgehende Schützen in südlicher Richtung (hinter Carspach) beschossen werden.
Die Batterie ging dann im Staffelfeuer mit 4700 auf Kavallerie über, die sich am Waldrande bei Bannholz versammelte. Schließlich feuerte sie auf nähere Infanterie (nordwestlich Carspach, Entfernung 2800). Der linke 2. Zug beschoss selbständig feindliche Kavallerie im direkten Richten (Entfernung 2400). Vorzügliche Wirkung konnte mit bloßem Auge von allen erkannt werden. Unterdessen begann feindliche Artillerie von mehreren Seiten aus ihr Feuer auf die Batterie zu konzentrieren. Trotz eingehender Beobachtung mit Scherenfernrohr gelang es nicht, dieselbe zu finden.
Es wurde daher eine Artilleriepatrouille unter Führung eines berittenen Infanterie-Offiziers (Lt. Schinnowski) ausgesandt, um festzustellen, wo die bei Bannholz in der Bewegung beschossene Artillerie in Stellung gegangen sei. Da die Brennzünderstellung unserer Geschosse nicht ausreichte, wurde die „Aufschlaggabel“ gegen die Höhe gebildet, vom Wirkungsschiessen selbst wurde wegen ungenauer Kenntnis der feindlichen Stellung Abstand genommen.
Die feindliche Infanterie, lange Zeit gänzlich verschwunden, ging dann wieder in verschiedenen Schützenlinien vor und wurde als lohnendes Ziel mit 3600 bis 2200 beschossen. Die Lage für die Batterie gestaltete sich aber nunmehr von Minute zu Minute kritischer, da sie inzwischen von drei Seiten her unter Feuer genommen wurde. Zweimal waren französische Flieger über die Batterie geflogen und hatten dabei wohl mit Sicherheit deren genaue Lage erkennen können.
Behelfsmäßiger Panzerzug bei Mülhausen
Daß der Verlauf der Stellung dem Feind jedenfalls genau bekannt geworden war, geht daraus hervor, dass seine Schüsse seitlich ganz genau lagen. Im Brennzünderfeuer konnte die Batterie trotzdem nicht erreicht werden, weil sie über 5600 m entfernt war. Infolgedessen eröffnete der Gegner alsbald ein heftiges Granatenaufschlagschiessen, dessen Gruppen unmittelbar vor und unmittelbar hinter der Batterie lagen (bis an den 100 m hinter der Batterie aufgestellten Beobachtungswagen). Indessen bewirkte die Rasanz des französischen Feldgeschützes, dass die feindlichen Schüsse entweder vor unserer Batteriestellung in den Höhenkamm einschlugen, oder aber über unsere Batterie hinweg flogen und kurz hinter unseren Geschützen den Boden erreichten; mit anderen Worten: unsere Batterie befand sich im toten Winkel.
Geschuetz "Mathilde" der 3./76
Als dann die Mitteilung kam, dass Aspach von feindlicher stärkerer Infanterie nebst Maschinengewehren erreicht sei, mussten wir, um der Gefahr des Umgangenwerdens zu entrinnen, das Gefecht um 7 Uhr abends abbrechen und befehlsgemäß den Rückmarsch nach Illfurt antreten. Während des Aufprotzens schlugen noch einmal zwei charakteristische Feuergruppen des Gegners in der geschilderten Weise unmittelbar vor und unmittelbar hinter den Geschützen und Munitionswagen ein, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten, wie denn überhaupt die Batterie während des achtstündigen Feuergefechtes trotz der großen Geschützzahl des Gegners und trotz seiner den Umständen nach nicht schlechten Feuerleitung nur einen verwundeten Kanonier und vier verwundete Pferde zu beklagen hatte. Das übrige Detachement hatte von dem auf der Stellung liegenden französischen Feuer einen so gewaltigen Eindruck gehabt, dass man allgemein annahm, unsere Batterie sei nahezu vernichtet. War doch selbst der Führer des Detachements (Oberstlt. v. Witzleben, Kdr. des Drag. Regts. 22) wie durch ein Wunder gerührt, als ihm der Verbindungsoffizier der Batterie während des Rückmarsches meldete, dass nur ein Mann und vier Pferde als Verluste zu verzeichnen seien.
Am Brückenkopf bei Neuenburg
Auf dem Rückzuge wurde die Batterie noch einmal angehalten und erhielt vom Führer des Detachements den Befehl, eine Aufnahmestellung auf den Höhen unmittelbar suedwestlich von Fröningen einzunehmen. Die Batterie ging dementsprechend auf der zweiten Welle dieser Höhe in verdeckte Feuerstellung (Beobachtungsstelle auf der I. Welle). Die Geschütze wurden mit der Nordnadel parallel gestellt und mit zwei Schuss nach Höhe 500 nordoestlich Aspach festgelegt. Um 8 Uhr erging jedoch der Befehl zur Fortsetzung des allgemeinen Rückzuges über Fröningen, Zillisheim, Flachslanden, Brubach, Habsheim, Kreuzstrasse, Ottmarsheim, Banzenheim, Eichwald.
In der Marschordnung war die Batterie hinter dem vordersten Bataillon des Gros (3. Batl. Inf. Regt. 112) eingeordnet. Es wurde (abgesehen von kürzeren Halten) während der ganzen Nacht und eines großen Teils des folgenden Morgens marschiert. Erst als wir am 8. August um 9 Uhr vormittags den Rhein überquert hatten, waren wir am Ziel und wurden daselbst von unserem Großherzog persönlich zu dem hinter uns liegenden ersten Gefecht beglückwünscht, in welchem wir, ohne eigene größere Verluste erleiden zu müssen, dem Feind nicht unerheblichen Abbruch taten. Darauf vereinigte sich die Batterie mit den beiden anderen der Abteilung und bezog Biwak am Rande des Städtchens Neuenburg.
Was den Munitionsaufwand während des Gefechts bei Altkirch anbelangt, so waren 370 Schrappnells und 92 Granaten verfeuert worden. Was schließlich die Verpflegung betrifft, so hatten wir vom Morgen des 7. August bis zum Morgen des 8. August nur von trockenem Kommissbrot gelebt. Da wir nämlich zu Beginn des Krieges über keinerlei Feldküchen verfügten, waren wir auf die Kochgeschirre der einzelnen Geschütze angewiesen, wobei ein Abkochen auch in späteren Kampftagen des öfteren durch die Gefechtslage beeinträchtigt oder ganz verhindert wurde.
Schon am nächsten Morgen musste das Regiment wieder über den Rhein zurück in Richtung Mülhausen und ging bei Napoleonsinsel und beim Flugplatz Habsheim in Stellung.
Grabstein auf dem Freiburger Hauptfriedhof mit dem Text:
Richard Bopp
Architekt
Hauptmann im
Feld. Art. Regt. 76
1880 - 1926
Es folgte die erste Schlacht um Mülhausen (Siehe dazu: Die Schlacht bei Mülhausen und Tagebuch Josef Uhrmacher)
„Altkirch – Feier“ am 7. August 1916
Von dieser Feier der 2./76 sind noch ein kurzer Text sowie drei Bilder vorhanden. An welchem Ort sich die Feier abspielte, ist nicht überliefert. In den Texten ist von einer traditionellen Feier die Rede, und dass das Regiment vor dem Krieg bei Altkirch mehrmals Manöver abhielt. Da das Regiment sich jedoch zu dieser Zeit in der Champagne befand, hat man eventuell die traditionelle Veranstaltung am aktuellen Einsatzort durchgeführt.
„Am 7. August 1916 hielt die 2./76 ihre schon traditionelle Altkirchfeier ab. Sie hatte dazu alle eingeladen, die an dem Gefecht teilgenommen hatten und jetzt noch erreichbar waren. Bei der Feier stand dieses mal das Militärsportliche im Vordergrund. Um 2 Uhr erschien das erste Gespann gerüstet zum Preisfahren auf der Festwiese. Es fuhren vier Gespanne, zwei mit Unteroffizieren und zwei mit Mannschaften. Die Hauptschwierigkeiten beim Preisfahren waren ein Galoppfahren mit Abprotzen, das Durchfahren eines künstlich hergerichteten Fahrecks, eines etwa 8 m breiten Wassers und eines Walddickichtes in vielen Windungen. An das Preisfahren schloss sich ein Fünfkampf, bestehend aus Hochsprung, Weitsprung, Steinstoßen, Schnellauf und Handgranatenwerfen an. Darauf folgten militärische Übungen wie Rundblickfernrohrstellen, Richtkreisübungen, Auf- und Abbauen des Beobachtungswagens, Preisschießen usw. Das größte Interesse erregte das Wettrennen auf ungesattelten Pferden auf Trense. Nach einigen Belustigungsspielen setzten sich die Teilnehmer zu einem kühlen Trunk an die aufgeschlagenen Tische. Hierbei erfolgte die Preisverteilung und die Ansprache des Batterieführers. Noch einige Stunden blieben die Teilnehmer beisammen, bis der Kanonendonner eines heftigen feindlichen Feuerüberfalls an die harte Wirklichkeit erinnerte und das Fest beendete“.
Fahrt durch einen Bach
Bei der Preisverteilung
Bericht eines Oberleutnants und Regimentsadjutanten über das Gefecht bei Altkirch am 7. August 1914
"Besonders lebhaft gestaltete sich der Kampf um Altkirch. Wie oft hatten wir hier im Frieden Manöverübungen abgehalten, wie vertraut war vielen das dortige Gelände! Besonders gut kannten wir den Rebberg. Er erhebt sich zu einem bedeutenden Höhenzug, von dem aus man das ganze Vorgelände überschauen und beherrschen kann. Dort nistete sich während der Grenzschutzplänkeleien eine Batterie Feldartillerie ein, die als einzige diese Grenzschutzkämpfe mitgemacht hat.
Am 7. August erwarteten unsere Grenzschutztruppen in ihren ausgezeichneten Stellungen den Feind. Es war ein heißer, aber klarer Tag. Eifrig hatte sich die Infanterie eingegraben, ruhig konnte diese Truppe dem Feinde die Stirn bieten, zumal sie aus gedienten, erprobten Soldaten, Badener und Elsässern, bestand, die bereit waren, ihr Herzblut zum Schutze der heimatlichen Scholle hinzugeben. Auch die Batterie stand, eingegraben und maskiert, in verdeckter Stellung. Nach allen Seiten konnte sie das Gelände mit ihrem Feuer beherrschen und hatte schon unter diesem Gesichtspunkt ihre Stellung gewählt.
Das Auge der Batterie aber, der Führer, befand sich oben auf der Höhe, von der aus er jede Bewegung des Gegners erspähen und alle Straßen einsehen konnte, auf der die Franzosen vorrücken mussten. Die Beobachtungsstelle war in die Erde eingegraben, mit Schutzschilden gesichert und mit Laub und Sträuchern für den Gegner unkenntlich gemacht. Dahinter stand das Scherenfernrohr, durch das unermüdlich wachsame Augen das Gelände absuchten. Neben der Beobachtungsstelle lagen die Fernsprecher eingegraben, alles war in Ordnung, die Batterie feuerbereit, es konnte losgehen.
„Herr Hauptmann, ich sehe deutlich Bewegung in den Waldstücken. Es sind Pferde zu erkennen, anscheinend Kavallerie“ – so ruft der am Scherenfernrohr stehende Vizewachtmeister. Der Batterieführer bestätigt die Richtigkeit. Er sieht, wie es in den Wäldern lebendig wird, wie sie sich füllen mit Reitern und Infanteristen, schon erspäht er Truppenmassen auf den Straßen, die in die Wälder einmünden, deutlich erkennt er ihre Überzahl an den gewaltigen Staubwolken, die an diesen heißen Augusttagen jede Bewegung verraten.
Der Fernsprecher ertönt. „Batterie fertigmachen!“ Und wie elektrisiert ist alles dahinten in der Batterie. Jeder steht an seinem Platz, in größter Spannung. Aber noch ist der Gegner zu weit. Damit sie wirksam die Reihen lichten können, muss er näher kommen. Und er kommt näher, ahnungslos, harmlos. Jetzt brechen die Kavalleriemassen aus den Waldstücken, Aufklärungseskadrons, die sich nach Norden und Süden wenden. Sie halten ab und zu, sie sehen durch das Glas, sie suchen den Feind. Deutlich erkennt man jetzt schon ihre schimmernden Uniformen, ihre tänzelnden Pferde. Nun wird es Zeit, nun kann man sie in der breiten Flanke fassen.
„Tut, tut, Entfernung 4200 Meter, Feuer!“ Ein Augenblick atemloser Spannung, da krachen auch schon die zwei Schüsse. „Sst, sst“, so sausen sie über die Höhe hinweg und suchen sich grausam und rücksichtslos ihr Ziel. So ist der moderne Krieg: man kämpft mit einem unsichtbaren Feind, den man mordet und tötet, obwohl man ihn nicht sieht.
Ein Blick durch das Scherenfernrohr zeigte dem Batterieführer, was für tüchtige Richtkanoniere er hatte. Die Entfernung war genau nach der Karte abgemessen, es musste also sitzen. Und die zwei Schüsse saßen. Krachend waren sie dicht vor den französischen Reitermassen eingeschlagen und riefen eine ungeheure Panik bei dem vollkommen überraschten Feinde hervor. Ein wildes Laufen sah man dort, wildgewordene Pferde, stürzende Reiter, ein zügelloses Durcheinander. Aber nun erst begann die Batterie zu sprechen. Die sechs Kanonen jagten jetzt eine Gruppe nach der anderen heraus, die berstend mit fürchterlicher Wirkung in den feindlichen Massen einschlugen. Die Kanoniere arbeiteten an den Geschützen, unermüdlich wurde gerichtet, geladen, abgezogen. Dort war es ein Höllentanz, hier Freude, dort wildes Zurückfluten, hier Ruhe und unermüdliches Arbeiten.
Der Gegner konnte dem Feuer nicht standhalten. Bald war das Vorgelände reingefegt. Aber nun erst kamen die schweren Stunden für die braven Kanoniere. Der Feind zog seine Artillerie vor, unter ihrem Schutze sollte seine Infanterie vorgehen und die Höhen nehmen. Aber unverdrossen hielt die Batterie stand. Sie nahm den Kampf erst mit einer, schließlich mit drei französischen Batterien auf. Lage um Lage, Gruppe um Gruppe flog in die Artilleriestellung, und tapfer hielt sie dem feindlichen Granatfeuer stand, das sich unaufhörlich über sie hinweg ergoss, ohne sie zum Schweigen bringen zu können. Todesmutig wurde neue Munition vorgebracht, Pferde wurden umgeschirrt, die Fernsprechleitung wurde geflickt, Verbindung mit der Infanterie gehalten. Diese hatte inzwischen langsam, Mann für Mann, ohne jeglichen Verlust ihre Stellung geräumt. Nun war es auch für die Batterie Zeit. Denn schon versuchten die Franzosen durch Vorschieben starker Kräfte die Stellung von Norden und Süden zu überflügeln. Die Batterie musste das Gefecht nach fünfstündigem Kampfe mit der feindlichen Artillerie abbrechen.
Ein Geschütz nach dem anderen wurde herausgezogen, die Franzosen mochten wohl triumphierend denken, sie hätten die nicht mehr feuernden Geschütze außer Gefecht gesetzt. Glücklich kam die ganze Batterie aus ihrer Stellung, das Gefecht hatte ihr nur einen Leichtverwundeten gebracht. Sie erreichte bald die Infanterie und wurde von der Schwesterwaffe für ihre tatkräftige Unterstützung mit jubelndem Hurra begrüßt."
Denkmal auf dem Schlossberg in Freiburg