"Auf dem Gelände zwischen dem Dorfrand und dem Sanitätsstollen lag ein kompakter Feuerriegel. Leichte und schwere Granaten mit Aufschlag-, Brenn- und Verzögerungszündern, Blindgänger, Hohlbläser und Schrapnells vereinten sich zu einer Raserei akustischer und optischer Effekte. Dazwischen strebten, rechts und links dem Hexenkessel des Dorfes ausweichend, Unterstützungstrupps nach vorn.

In Fresnoy löste eine kirchturmhohe Erdsäule die andere ab, jede Sekunde schien die vorhergehende noch übertrumpfen zu wollen. Wie durch Zaubermacht wurde ein Haus nach dem andern vom Erdboden eingesogen; Mauern brachen, Giebel stürzten, und kahle Sparrengerüste wurden durch die Luft geschleudert, die benachbarten Dächer abmähend. Über weißlichen Dampfschwaden tanzten Wolken von Splittern. Auge und Ohr hingen wie gebannt an dieser wirbelnden Vernichtung." Ernst Jünger, "In Stahlgwittern", 3. Auflage, E. S. Mittler & Sohn Berlin 1933

Achtung Lebensgefahr! Für alle Blindgänger gilt EMMA: erkennen - markieren - melden - Abstand! Bitte schauen Sie sich das Objekt an und versuchen Sie es zu identifizieren, ohne es zu berühren oder in der Lage zu verändern. Markieren Sie die Stelle, damit andere gewarnt sind. Melden Sie den Fund bei der örtlichen Gendarmarie/Polizei. Und halten Sie danach Abstand, nur für den Fall der Fälle...

Granaten sind die Geschosse der Artillerie, die entweder mit fester Zündladung in einer fest verbundenen Hülse oder, bei größeren Kalibern, mit variabler Pulverladung durch mehrstufiges Laden verschossen wurden. Im Gegensatz zum Mörser wird die Granate durch ein gezogenes Rohr verschossen, in dessen Inneren helixfömige Riefen, die sog. "Züge und Felder", eingearbeitet wurden. Diese sorgen für eine Geschossdrall, der nach Verlassen des Rohres die Flugbahn des Geschosses stabilisiert und somit die Reichweite und Präzision des Geschosses massiv erhöht. Da die Geschosse aus Eisen gefertigt sind und die Reibung von Eisen auf Eisen zu einem starken Verschleiß der kostbaren Rohre führt, sind in die Granaten weichere Bänder, im Weltkrieg Kupferbänder eingepresst, die sog. Führungsbänder. Diese pressen sich beim Abschuß in die Züge und Felder des Rohres. Deshalb sind "gelaufene", also abgeschossene Granaten an ihren gemusterten Führungsbändern zu erkennen.

Reste eines Granatbodens einer Schrapnellgranate aus dem Schönholz. Deutlich ist unten das Führungsband und die Abdrücke der Züge und Felder zu erkenen. Dieses Relikt ist völlig harmlos und je nach Auge des Betrachters Eisenschrott.

Granaten werden in unterscheidlichen Kalibern (Durchmessern und Größen) und mit unterschiedlichen Füllungen hergestellt. Als Sprenggranate mit Splitterwirkung, mit Blei- bzw. Stahlkugelfüllung als Schrapnellgranate, oder mit gehärtetem Material zur Bunkerbekämpfung gab und gibt es alle Variationen. Die Granate an sich in neuem Zustand ist auch mit Sprengfüllung "handhabungssicher", kann also ohne größere Gefahr transportiert oder gelagert werden. Vor dem Verschuß wird ein Zünder aufgeschraubt, der durch einen mehr oder weniger komplizierten Mechanismus nach dem Abschuss entsichert und die Granate am Ziel zur "Umsetzung", also zur Explosion bringt. Auch Zünder sind also vor dem Abschuß gesichert, erst die "gelaufene", also abgeschossene Granate ist hochbrisant. 

Französische 15cm-Granate (?) bei Heimsbrunn. Das hier ist ein klassischer Blindgänger, allerdings ohne Kopfzünder, der entweder bereits beim Aufprall der Granate oder später durch Fahrzeuge oder Geräte abgeschlagen wurde. Obwohl keine unmittelbare Gefahr besteht, ist nach wie vor die Füllung der Granate explosiv und über die Jahre hin gealtert, was die Handhabungssicherheit stark herabsetzt und die Brisanz erhöht. Diese Granate muß durch Kampfmittelexperten geborgen und entsorgt werden.

Bei Blindgängern bestehen zwei Hauptprobleme: zum einen der Zünder. Hier handelt es sich um kleine mechanische Gebilde, in denen oft eine gespannte Feder mit einem Schlagbolzen darauf wartet, in ein Zündhütchen zu stoßen und durch eine Übertragungssprengladung die Granate "anzuzünden". Wieso dies im Einsatz nicht geschehen ist, kann niemand erkennen. Es kann sich um eine irreparable fatale Fehlfunktion handeln, die den ganzen Zünder lahmgelegt hat. Es kann sich aber auch um eine Kleinigkeit handeln, die bei der kleinsten Berührung dazu führt, daß der Zünder dann doch funktioniert. Selbst die Experten sprengen manchmal die Granate einfach vor Ort, weil das für sie der sicherste Weg ist.

Das andere Problem ist die Sprengladung der Granate. Die Sprengstoffe, die vor hundert Jahren handhabungssicher waren, sind mit der Zeit gealtert. Stabile Nitroverbindungen "schwitzen" instabiles Nitroglyzerin aus und verändern ihren Detonationsquerschnitt dramatisch. Pikratverbindungen aus den Zündern verbinden sich mit den unedlen Metallen im Zünder zu hochexplosiven Salzen, die durch Kappilarwirkung durch die Zündergewinde nach außen gelangen, dort auskristallisieren und auf den unvorsichtigen Finder mit der Rohrzange lauern, um bei Reibung "umzusetzen". Hinzu kommt, daß im Gegensatz zur heutigen Munition hier gerne billig und mit Ersatzstoffen hersgestellt wurde - die Granate an sich wurde sowieso gleich "verbraucht" und nicht auf lange Lagerung produziert. Deshalb ist das Risiko der Alterung nochmal so hoch.

Eine weitere Besonderheit sind Kampfstoffgranaten, die im ersten Weltkrieg von beiden Seiten in großer Menge verschossen wurden. Niemand kann der Granate von außen ansehen, ob die Ladung hochexplosiv oder chemisch ist, denn sämtliche Markierungen sind vor langer Zeit verschwunden. Der rostige Eisenklotz vor Ihnen könnte also auch Phosgen, Phoshor oder Senfgas enthalten.

Und lassen Sie sich nicht von dem Rost täuschen! Das Innere des außen korrodierten Zünders ist meist aus Messing und blitzt wie ein Uhrwerk, und auch das innere der intakten Granate ist so sauber wie am ersten Tag der Herstellung. Hände weg von Fundmunition. Etwa 20 bis 30% der abgeschossenen Munition des ersten Weltkrieges ist auf Grund billiger Massenproduktion und schlampiger Fertigung als Blindgänger im Boden gelandet und findet sich auch heute noch bei Waldarbeiten und Feldarbeiten. Und auch im ruhigen Wald arbeiten sich so langsam die Eisenklötze an dei Oberfläche.

Auch bei diesem Fund: Entwarnung. Die leere Hülle vermutlich einer französischen 7,5 cm-Granate bei Ammertzwiller. Oben ist noch der Rest des eingeschraubten Aufschlagszünders zu erkennen, unten am Boden das Führungsband. Reiner Metallschrott. 

Nicht gelaufenes Schrapnellgeschoss bei Aspach. Ein Fall für die Munitionsbergung.

Das Ergebnis eines Aufräumtages: Axt, Spitzhacke, Spaten, Munitionsschrott und Munition; Galfingen-West

Harmlos, aber strafbar: Handwaffenmunition, wie hier am Hartmannsweilerkopf, ist in der Regel keine Gefahr bei Auffinden. Aber der Besitz ist strafbar. Aber Achtung, Gefahr: das gilt nicht für größer kalibrierte Munition und Geschosse z.B. 2cm-Bordwaffen-/Flakmunition, 3cm-Flakmunition und größer. Obwohl diese Geschosse wie größere Handwaffenmunition aussehen, handelt es sich hier meist um Minen-, Minenexplosiv- oder Brandgeschosse mit vorgespanntem Zünder! Bei Explosion werden über 200 Splitter auf engstem Raum freigesetzt, die meist tödliche Wirkung besitzen. Gerade hier ist durch den kleinen Zünder die Bildung explosiver Pikratsalze extrem wahrscheinlich, erst recht wenn solche Funde mit nach Hause genommen und getrocknet werden. 2cm-Munition wurde zwar sehr selten im ersten Weltkrieg eingesetzt, findet sich aber häufig auf Feldern in Kampfgebieten des zweiten Weltkriegs nach Bordwaffenbeschuß durch Tiefflieger oder durch im Erdkampf eingesetzte Schnellfeuer-Flakgeschütze. Gerade im Elsass überschneiden sich die Kampfgebiete häufig, so daß oft Relikte des ersten und zweiten Weltkrieges nebeneinander zu finden sind.

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