Von Albert Bischoff, Landsturm-Bataillon Rastatt, 1915. Aus der Regimentsgeschichte des Landwehr-Infanterie Regiments 111 (LIR 111)

Heimersdorf, auf lateinisch „Holzschuhia Antikloseta“, liegt ungefähr 20 Meter über dem Bataillons-Büro. Es heißt auch deshalb Heimersdorf, weil es dem II. Landsturm-Bataillon Rastatt beinahe zur zweiten Heimat geworden ist. Das Klima ist milde und die Luft sehr kuhozonhaltig, daher eine Sommerfrische. Wem die Luft zu stark ist, dem wird die Bataillonskantine empfohlen, da es dort so zieht, dass es alles herauszieht. Von öffentlichen Gebäuden sind zu erwähnen ein Rathaus, zwei Gasthäuser und ein Kriegsbrausebad, von anderen Bauten Villa Räuberhöhle, Pionierklubhaus und die einzige Dampfbäckerei (neues System, ohne Dach). An Sehenswürdigkeiten ein Denkmal beim grünen Baum mit Parkanlagen. An Stelle der jetzigen Grasbüschel kommt später ein Stein mit den Namen derjenigen, denen es hier besonders gut gefallen hat, sowie der Name des Entdeckers vom „Kamel beim Feinde“. Im Rathaus befindet sich die Revierstube, auch Schnaken- und andere kleine Käfervertilgungsanstalt. Wirkliche Kranke finden dort liebevolle Aufnahme, eingebildete Kranke werden abgewiesen oder bekommen „Oelus Rizinus“.

Die Gasthäuser dienen mit ihrem Stoff, auch „Humba“ genannt, zur inneren Einreibung der in Ruhe befindlichen Landstürmer; damit aber nach 3tägiger Enthaltsamkeit im Schützengraben die Einreibung nicht zu stark wird, werden sie um 10 Uhr abends durch Patrouillen aus denselben entfernt. Das Kriegsbrausebad dient der äußeren Abreibung des Landsturms, da aber manche fürchten, dass durch das öftere Abreiben die Haut zu dünn wird, müssen sie mit Gewalt zu diesem Akte herangezogen werden (Wasserius scheuias), was aber selten vorkommt. In den Feldküchen, auch Goulaschkanonen oder Kohldampfabwehrbatterien genannt, wird für das leibliche Wohl gesorgt, trotzdem es dort Braten, Salat und andere gute Sachen gibt, sind immer manche unzufrieden. Es wird daher demnächst eine Speisekarte eingeführt, wo jeder wählen kann. Extrawünsche, wie Forellen usw., müssen drei Tage vorher gemeldet werden. Aufträge übernimmt auch die Telephonzentrale, zugleich Fundbüro und Vermittlungsanstalt von in Schützengräben und Unterständen liegen gebliebenen Feldflaschen, Trinkbechern, Notizbüchern usw., Druckerei für die neuesten Kriegstelegramme.

Der seit vielen Monaten in Heimersdorf liegende Landsturm, auf lateinisch Militarius Antiquarius, besteht aus zwei Arten, 1. dem alten Rastatter Stammbataillon und 2. den Neulingen. Das kommt daher, weil vor einiger Zeit die kränklichsten, die ältesten und die ruhigsten Leute fortgekommen sind und durch andere ersetzt wurden. Dann gibt es beim Bataillon noch Landwirte und Nichtlandwirte; letztere unterscheiden sich von ersteren dadurch, dass sie ihr Fahrgeld nach der Heimat zahlen dürfen.

Seit einiger Zeit grassiert nämlich eine neuartige Krankheit: Der Heimatkoller oder lateinisch Collerias Heimatus genannt. Er befällt hauptsächlich Leute, die nicht auf Urlaub fahren dürfen oder auf später vertröstet werden. Die schnellste Heilung ist durch Urlaubsbewilligung zu erzielen. Anderenfalls müssen vor den Kompagniebüros spanische Reiter aufgestellt werden. Den Landsturm hat man früher an der Mütze erkannt, jetzt erkennt man ihn an grauen, teilweise weißen Haaren, größeren und kleineren Platten  und an der Frage: „Wann kommen wir fort?“

Ist der Landsturm ruhebedürftig, kommt er in eine kugelsichere Gegend zum Ersatzbataillon. Erholt er sich dort unerwartet, kommt er zur Luftveränderung nach Russland.