Zwei Berichte über die Luftschlacht bei Mülhausen/Habsheim am 18. März 1916:

Luftschlacht bei Mülhausen / Habsheim am 18. März 1916

Im März 1916 kam es über Mülhausen zu einem Kampf der Französischen und der Deutschen Luftwaffe. Ein Geschwader von 18 bis 20 französischen Flugzeugen näherte sich Mülhausen mit dem Ziel, den Bahnhof Mülhausen und den Flugplatz bei Habsheim anzugreifen.
Über dieses Ereignis sind uns nun zwei Berichte und einige Bilder zugänglich.

Zunächst ein Bericht aus der Zeitung „L’Alsace“ vom 27. August 1967, den wir hier Auszugsweise wiedergeben:

"In dem fernen Grollen der Bombenteppiche, die der zweite Weltkrieg über Mulhouse legte, verbleichen die Bilder des Luftkriegs, die der erste Weltkrieg mit sich brachte und nur noch die Älteren wissen zu berichten, dass auch da, neben den Schlachten des Kriegsbeginns der Kampf in den Lüften der Bevölkerung die schrecklichsten Erlebnisse vermittelten.

Der Luftangriff vom „Seppitag“ 1916, am 18. März war eines dieser Ereignisse, das den Übersechzigjährigen noch als eigenes Erlebnis in tiefster Erinnerung geblieben ist.

Es war am 18. März 1916, ein sonniger Freitagnachmittag, kurz nach 15:00 Uhr, als ein Schwarm Flugzeuge von Westen her auf Mülhausen zuflog. Es waren etwa 20 schwerfällige Caudrom und Farman Doppeldecker, sogen. „Cages à poules“ älteren Modells, deren Geschwindigkeit weit unter 300 km/h blieb und die ohne jede Jagddeckung in etwas über 1000 Meter Höhe , eng geschart, mit Kurs über Mülhausen dem oft bombardierten Flugplatz von Habsheim zustrebten.  Kleine, grauweiße Flakwölkchen umrahmten sie. Von Habsheim stiegen einige wendige Jagdflugzeuge auf. In das dumpfe Knallen der Abwehrgeschosse mischte sich das hastige Taktaktak der Maschinengewehre. Gleich am westlichen Stadtrand ereilte eines der Bombenflugzeuge sein Schicksal. Aus dem Motor schoss eine rote Stichflamme. Die Maschine wankte einen Augenblick, dann beleckten die Flammen die kastenartigen Tragflächen, die in der Mitte einknickten. Wie eine riesige Brandfackel sackte das Flugzeug ab, während einer der beiden Piloten, einen Stab in der Hand haltend, in die Tiefe stürzte. Etwa 100 Meter über dem Boden überschlug er sich und stürzte auf das Trottoir der Gebweilerstrasse, unweit der Daguerrestrasse, wo er zerschmettert liegen blieb. Die Maschine selbst schlug auf dem alten Kilbeplatz von Dornach an der Tunnelstrasse auf, wo er als rauchender Trümmerhaufen liegen blieb.

Inzwischen hatte das französische Geschwader das Habsheimer Flugfeld erreicht, wo es Bomben zu werfen begann. Auf dieser Flugbasis lagen ein deutsches Bomben- und ein Jagdgeschwader, dessen Flugzeuge der französischen Bomberarmada entgegengeeilt waren. 
Es war da auch ein neuartiger Flugzeugtyp vertreten, ein Riesenflugzeug, das sechs Mann Besatzung aufnehmen und mit MG und Bordkanonen ausgerüstet war.

Das Groβflugzeug AEG G.IV

Zum ersten Mal wurde in dem nun über dem Flugplatz beginnenden Luftkampf deutscherseits eine neue Spurmunition eingesetzt. Sie wies Explosionskörper auf, die in kurzem Abstand ein Wölkchen schufen, das von dem MG Schützen als Zielmittel benutzt werden konnte. Diese Munition bewährte sich jedoch nicht, und wurde nach diesem „Probekampf“ endgültig abgesetzt. 
Das französische Bombengeschwader kurvte so über dem Habsheimer Flugfeld und trat, nachdem es seine Bomben abgeworfen hatte, Mülhausen südlich umfliegend, den Heimflug an. Das deutsche Jagdgeschwader hatte vergeblich versucht, die Bomber auseinander zu treiben und es war zu mehreren Einzelluftkämpfen gekommen. Einer der französischen Bomber stieß hierbei mit dem deutschen Riesenflugzeug zusammen und beide stürzten über dem Flugfeld zu Boden. 

Die Jagdflieger umkreisten auf dem Rückflug das gedrängt fliegende französische Bombengeschwader. Über dem Rebberg gelang es einem deutschen Jäger ein weiteres – drittes – französisches Flugzeug in Brand zu schießen, das im Zurenwald, südlich des Riestals, im Wald zerschellte. 
Schließlich ereilte ein viertes Bombenflugzeug sein Schicksal. Es wurde bei Reichweiler über dem Nonnenbruch angeschossen und ging im Flachflug bei Roderen, südlich Thann in den französischen Linien nieder. 

Von den zwei bekannten Abschuss-Piloten hat es einer zu einem bestimmten Ruhm gebracht. Während das bei Dornach abgestürzte französische Flugzeug von einem Lt. Pfälzer abgeschossen wurde, erlegte den im Zurenwald zerschellten Bomber ein gewisser Lt. Udet, der später einer der erfolgreichsten Kampfflieger, und in der späteren Literatur „Des Teufels General“ wurde."

Übersichtskarte zu den Ereignissen vom 18.3.1916

Am 19. März unternahmen die Deutschen einen Vergeltungsangriff auf Belfort, die Franzosen einen Tag später auf Freiburg.

Ernst Udet hat mit 62 Luftsiegen den Krieg überlebte.

Ein anderer bekannter Pilot jedoch nicht. 
Unteroffizier Walter Kandulski, der 1915 bei Petite Croix den berühmten französischen Piloten Pégoud abgeschossen hatte, wurde von dem französischen Sergeant Roger Ronserail im Mai 1916 nordwestlich von Mülhausen im Luftkampf bezwungen. Ronserail wurde danach der „Rächer von Pégoud“ genannt (Quelle: Quelle: Mémorial aéronautique, Band 2 von Marcel Catillon).

(Anm.: in einer Forendiskussion wird behauptet, er habe den Krieg überlebt (https://www.greatwarforum.org/topic/21283-unteroffizier-kandulski/); allerdings wird hier auch schon über den Rank diskutiert; GR)


Ein weiterer Bericht findet sich in der Regimentsgeschichte des Garde-Füsilier-Regiments:

Von diesem Regiment gingen 33 Männer zur Fliegertruppe. Darunter auch Walter Kurth, Leutnant der Reserve und Zugführer der 9. Kompanie des Garde-Füsilier-Regiments. Er wechselte schon im Dezember 1914 zur Fliegertruppe und war als Beobachter ausgebildet.

Sein kurzer Werdegang: 

"Geboren am 26. August 1886 in Berlin, Regierungsbaumeister, trat am 1. April 1910 als Einjährig-Freiwilliger bei der 4. Kompanie des Garde-Füsilier-Regiments ein. Bei Kriegsausbruch rückte er als Leutnant der Reserve und Zugführer der 9. Kompanie des Regiments ins Feld. Am 16. Oktober 1914 vor Jwangorod durch Artilleriegeschoss am linken Oberschenkel verwundet, meldete er sich nach Wiederherstellung freiwillig zur Fliegertruppe. In Döberitz als Beobachter ausgebildet, kam er bereits Anfang Januar 1915 zur Festungs-Flieger-Abteilung Glogau, die noch im selben Monat in die Feldflieger-Abteilung 48 umgebildet wurde. Führer der Abteilung war der bekannte Flieger Hauptmann Mackenthun vom Regiment. Die Abteilung kam an die Vogesenfront, Flugplatz Habsheim – Mülhausen."

Nun der Bericht aus der Regimentsgeschichte:

"Am Sonnabend, dem 18. März 1916, gegen 5 Uhr nachmittags, erschien vom „Belforter-Loch“ her am sonnigen Frühsommerhimmel ein französisches Geschwader von 16 Maschinen, zwei weitere folgten in kürzerem Abstand nach. Offenbar hatte das französische Geschwader den Auftrag, den Wanne-Bahnhof und den Flugplatz Habsheim mit Bomben zu belegen. Aber schon waren unsere Flieger zur Stelle und der Luftkampf begann. Ballonabwehrgeschütze feuerten, dazwischen das harte Tak, tak, tak, tak der Maschinengewehre der Flugzeuge, die krachenden Explosionen der von gegnerischen Flugzeugen abgeworfenen Bomben. Die Bevölkerung suchte eiligst Deckung, um vor Sprengstücken, Blindgängern und Maschinengewehrgeschossen sicher zu sein. Nur vereinzelte, mit stärkeren Nerven ausgestattete Neugierige, blieben auf der Straße. 
Da, ein allgemeiner Schrei, der erste Gegner stürzte, zu Tode getroffen, brennend ab. Der Luftkampf tobte weiter. Etwa über dem Flugplatz Habsheim liegt unser A.E.G.-Großkampf-Flugzeug der Feldflieger-Abteilung 48 mit einem feindlichen Doppeldecker im Kampf. Beide Gegner jagen im Kreise einander nach, jeder sucht dem anderen den Vorteil abzugewinnen. Wieder ein Schrei des Entsetzens, beide Flugzeuge rennen aufeinander und stürzen in die Tiefe. Das deutsche Großkampf-Flugzeug stürzt in den Wald in der Nähe des Flugplatzes Habsheim. Die Besatzung, Flugzeugführer Offizier-Stellvertreter Hopfgarten, Beobachter Leutnant d. Res. Kurth und Maschinengewehr-Schütze Wallat, ist tot. Ein unentwirrbarer Knäul von Flugmotor, Fahrgestell, Streben und Tragdecken sind noch übrig. So gingen drei deutsche Heldenleben unter. Leutnant d. Res. Kurth vom Garde-Füsilier-Regiment, selbst Sieger in mehreren Luftkämpfen, musste hier, unbesiegt, seine noch zu den stolzesten Hoffnungen berechtigte Fliegerlaufbahn beenden. 

Das A.E.G.-Großkampf-Flugzeug der Feldflieger-Abteilung 48 mit den drei Piloten

Die französische Besatzung stürzte brennend unweit der deutschen, ebenfalls tödlich ab. In derselben Luftschlacht wurden von unseren Fliegern noch zwei weitere Gegner brennend abgeschossen. Alle acht Insassen der vier heruntergeschossenen gegnerischen Flugzeuge sind tot. Ihre Personalien wurden festgestellt."

Die Feldflieger-Abteilung 48 setzte der gefallenen Besatzung ihres Flugzeuges an der Absturzstelle, an der die drei Helden auch zur letzten Ruhe bestattet wurden, ein Denkmal. Das Denkmal wurde geschaffen von Otto Firle (*14.10.1889, †04.07.1966, Architekt und Grafik-Designer. Er entwarf 1919 das Kranich-Logo der Deutschen Lufthansa), Beobachter bei der FFA 48

Das Denkmal an seiner ursprünglichen Stelle beim Flugplatz Habsheim.

Das Denkmal auf dem deutschen Militärfriedhof bei Illfuth.

Die Gedenkplatte trägt die Inschrift:

„Hier ruht die am 18. März 1916 gefallene Besatzung eines Flugzeuges der Fliegerabteilung 48, Walter Kurth, Leutnant der Reserve, Fritz Hopfgarten, Offizierstellvertreter, Max Wallat, Vizefeldwebel. Sie starben an dieser Stelle nach heldenhaftem Luftkampf gegen ein französisches Geschwader gemeinsam mit ihrem Gegner. Errichtet von ihren Kameraden – April 1916.“

Die Platte mit der Inschrift am Denkmal ist hergestellt aus den Bronzeteilen der abgeschossenen vier feindlichen Flugzeuge.

Die im Kampfe gefallenen französischen Besatzungen wurden ebenfalls an ihrer Absturzstelle mit militärischen Ehren beigesetzt. Ihnen wurde gleichfalls ein Gedenkkreuz und zwei Grabsteine errichtet.

Der kleine französische Friedhof für die Gefallenen vom 18. März 1916 beim Habsheimer Flugplatz. 
In der Mitte ein Kreuz, flankiert von zwei Gedenksteinen mit den Namen der Toten.

Ein Foto von einem der beiden oben erwähnten Gedenksteine konnten wir noch ausfindig machen. Auf ihm sind die Namen von vier Piloten verzeichnet.

    • Leutnant FLOCH
    • Mech. RODE
    • Sergt. RINS
    • Mech DUBAR

Die Besatzungen der vier abgeschossenen französischen Flugzeuge

  • Führer: Serg. Edouard Albert Joseph LEROY, Beobachter: Capitaine Emile Victor BACON, Flugzeugtyp: M. Farman, Motoren: Renault 12 cyl. Nr. 48670
  • Führer: Lieutenant Robert FLOCH *08.05.1889, Beobachter: Mechan. Paul RODE *19.12.1894, Flugzeugtyp: M. Farman Nr. 3007, Motoren: Renault 12 cyl. Nr. 49176
  • Führer: Serg. RINS *17.09.1895, Beobachter: Mechan. Robert DUBAR *24.12.1894, Flugzeugtyp: M. Farman Nr. 1354, Motoren: Renault 8 cyl.
  • Führer: Lieutenant Loumiet ROGER, Beobachter: Serg. Joseph VAYSSET, Flugzeugtyp: M. Farman, Motoren: Renault 8 cyl.

 

Zum Schluss noch ein Auszug aus dem Tagesbefehl der AA (Armeeabteilung) Gaede vom 20. März 1916:

"(...) Offenbar als Akt der Vergeltung für unsere Tätigkeit unternahmen die Franzosen am Nachmittag des 18.3. mit starkem Geschwader einen Bombenangriff auf Habsheim und Mülhausen. Die blutigen Opfer, die dieser Angriff auf dem Habsheimer Platze und unter der Mülhausener Bevölkerung gekostet hat, sind bekannt. Sie werden übertroffen durch die Verluste, die wir dem Feinde beibringen konnten. 

In steilem Flug stießen die Fokker der Abteilung 48 und 68 unter Führung des Lts. d. R. Pfaelzer in die Höhe und griffen scharf die feindliche Ueberlegenheit an. Diese war zunächst allein durch das Großflugzeug der Abteilung 48 und einem von Vizefeldwebel Udet der Abteilung 68 geführten Fogger aufgehalten worden. Unter Mithilfe der B.A.K. wurden 4 feindliche Flugzeuge, darunter 1 Führer-Flugzeug innerhalb unserer Linien zum Absturz gebracht, ein 5. feindliches Flugzeug zur Landung bei Rodern gezwungen und dort heftig von unserer Artillerie beschossen. Die Reste des feindlichen Geschwaders zogen sich lebhaft von der B.A.K. beschossen und von unseren Fliegern verfolgt in Richtung Belfort zurück. 

Leider stieß unser Großflugzeug mit Leutnant Kruth, Offiziers-Stellvertreter Hopfgarten und Vizefeldwebel Wallat kämpfend mit einem feindlichen Flugzeug zusammen und stürzte brennend in die Tiefe.

Ich spreche allen an den kühnen Aufklärungsflügen beteiligten Fliegern und den im Luftkampf über Mülhausen siegreichen Fliegerabteilungen sowie der Ballon-Abwehr meine wärmste Anerkennung aus. 

Im Namen S.M. des Kaisers verleihe ich dem Lt.d.R. Pfaelzer  von der Feld-Flieger-Abteilung 48 und dem Vizefeldwebel Udet von der Feld-Flieger-Abteilung 68 das eiserne Kreuz I. Klasse."