Eine Beschreibung aus den Erinnerungsblätter des Königlich-Bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 3 von 1925.

Das Regiment war u.a. in den Vogesen und kurze Zeit auch bei Bisel im Einsatz.

"Wer vom Münsterplatz in Breisach über den Rhein hinweg, der zu seinen Füβen rauscht, gegen Westen blickt, vor dessen Augen dehnt sich eine langgestreckte bewaldete Gebirgslandschaft, die Vogesen. Dieser Name allein schon bekundet unsere Einstellung allem Fremden gegenüber. Ursprünglich trugen die Waldberge den Namen Wasgenwald und der ganze Landstrich hieß Wasgau. Der Franzose gab dem Wasgenwald nach dem Dreißigjährigen Krieg den Namen Vosges und seitdem heißen wir den Gebirgszug Vogesen.

Im Innern der Waldberge sieht es etwas anders aus; die Sonnenhänge tragen statt der Wälder grüne Matten und sind bestreut mit zahlreichen Einzelhöfen, den Fermen, deren Bewohner in der Hauptsache von Viehwirtschaft leben. Je höher hinauf, desto würziger sind die Kräuter der Matten, desto besser die Milch und desto gesuchter der Käse. Dieser bildet die Hauptausfuhr und trägt auch auβerhalb des Münstertals den Namen Münsterkäse. Der Käseumsatz ist bedeutend, betrug er doch im kleinen Urbeis (Anm.: heute Orbey) im Jahresdurchschnitt 2 Millionen Mark.

Die Fermen sind den Vogesenkämpfern noch allen in guter Erinnerung. Unter einem First ist alles vereinigt, Wohnhaus, Stall und Scheuer. Die Steilheit der Hänge verbietet das billige Heranschaffen von Baustoffen, daher sind die Häuser klein, besonders am Stall wird gespart, mit aufgebundenen Schwänzen stehen die Kühe Flanke an Flanke, diese Miβwirtschaft macht sie alle tuberkulös. Es ist ein gedrungener Schlag; schwere kurzbeinige Ochsen ziehen auf steilen gerölligen Wegen stetigen Schritts ihre Last in die Scheune. Lange Steinmauern von unterschiedlicher Höhe laufen den Gehöftgrenzen entlang, sie sind aus den Steinen aufgetürmt, die aus dem Boden heraus gearbeitet wurden. Stellenweise ließen sich aber die Granitbrocken nicht bei Seite schieben, sie bilden dann ganze Geröllfelder, im Frühjahr übersät von einem Meer gelber Ginsterblüten. Den einsamen Posten auf Bergeshöhen grüßt vom Schwarzwald herüber der Feldberg, in der Sonne glitzernde Schneeberge des Berner Oberlands begrenzen die Sicht nach Süden und nach Westen streift der Blick durch Kammlücken hindurch nach Frankreich.

In den Tälern herrscht rege Betriebsamkeit, besonders Seidenspinnerei und Holzgeschäft. Vornehmlich erstere wurde stark betrieben bis in die Rheinebene hinaus. In den Dörfern und kleinen Städten zwischen Bergen und Rhein blüht als dritter bedeutender Erwerbszweig der Weinbau und Weinhandel. Die niedrigen Anhöhen am Fuß des Gebirges tragen durchgehends den Rebstock. Den meisten Vogesenkämpfern war der Elsäβerwein unbekannt, getrunken werden ihn wohl schon viele haben und zwar als Moselwein in irgendeiner Aufmachung.

Die Fermeninhaber hatten selbst nichts, sie waren nicht Besitzer, sondern nur Pächter von einem Herrn in der Stadt und waren dankbar für ein Stück Kommiβ. Alle hatten sie einen selbstgebrannten Kirsch, stellenweise von gefährlicher Güte. Kritisch wars, wenn der alte ausgegangen war und der neugebrannte an die Reihe kam. Mancher unvorsichtige Landwehrmann hat hier seinen Schluck Kirsch nicht mit einem Rausch, sondern mit einer Art Vergiftung über Gebühr büßen müssen.

Die Jugend balgte sich mehr als halbnackt vor den Hütten. Wenige Jahre, dann kam auch für sie die harte Zeit, wo sie den kleinen steinigen Acker vor dem Haus besorgen muβte. Dazu gehörte es, im Herbst korbweise die Erde, welche der Regen talabwärts an die untere Begrenzung geschwemmt hatte, wieder heraufzuschaffen.

Selten schön ist das Elsaβ mit seinen schweigenden Wäldern und blumigen Matten, mit seinen Felshalden, die ausschauen wie ein Schlachtfeld, auf dem sich Riesen mit Felsstücken beworfen haben; am schönsten offenbart es sich aber im Mai, wenn das Auge von irgend einer Kuppe hinunterschaut auf das Meer von Kirschblüten, oder im Herbst, wenn die Sonne das welke Laub zum Glühen bringt.

Versetzen wir uns nochmals auf den Breisacher Münsterplatz und denken an das Jahr 1916. Aus der üppig grünen Waldwand heben sich zwei braune Flecke heraus, der Buchenkopf und das Schratzmännele, hier hat sich Tod und Verderben nicht nur über Menschen, sondern auch über die Natur ergossen."