Französischer Text hier: L’ «Entonnoir de mine» d’Ammertzwiller
Zwischen der heutigen D 103 und dem westlichen Dorfrand verlief damals die Front. Das "Vorwerk Sautter" schob sich bis ca. 60m an die erste französische Linie heran. Die Deutschen gruben einen Tunnel in Richtung der französischen Stellung und füllten das Tunnelende mit mehreren Zentner Sprengstoff.
Am 15. Juli 1915 um 21:05h wurde diese Minenkammer gesprengt und ein Sturmangriff begann. Die Sprengung riss ein Loch von ca. 50 m Durchmesser und 16 m Tiefe. Erst bei Tagesanbruch wurde bemerkt, dass der Sprengtrichter nicht "IN" sondern 20 m vor der französischen Stellung lag.
Der Sprengtrichter ist heute ein privater Gartenteich, die Straße heißt "Rue du 11. Juillet 1915" und vor dem Teich steht ein kleines Denkmal mit einer Flügelmine.
Über dieses miβglückte Unternehmen sind noch schriftliche Aufzeichnungen vorhanden, die wir nachfolgend wiedergeben wollen.
Zunächst der Bericht von Leutnant Killian, Führer der Minenwerfer-Kompanie 312. Auszug aus seinem Buch „Totentanz auf dem Hartmannsweiler Kopf“:
"(...) Man hat ein Unternehmen bei Ammerzweiler (Anm.: heute Ammerzwiller) vor. Der Franzose hat sich nämlich aus dem Gildweiler-Wald (Anm.: heute Gildwiller) gegen Ammerzweiler vorgearbeitet und dicht vor unseren Stellungen starke, unangenehme Stützpunkte gebaut. Man will die französischen Befestigungen an der Straβengabel Niederburnhaupt (Anm.: heute Burnhaupt-le-Bas) - Ammerzweiler - Gildweiler wegnehmen, weil man glaubt, es handle sich um ein isoliertes französisches Vorwerk. Wie man trotz Fliegeraufnahmen zu dieser Annahme kam, ist mir nie klar geworden.
Wer den Plan zu diesem fatalen Unternehmen bei Ammerzweiler ausgeheckt hat, ist mir unbekannt.
Ein riesiges zementiertes Blockhaus vor unseren Linien soll zerstört werden. Zur Durchführung des Angriffes wurde das Rekrutendepot in Mülhausen unter Führung von Hauptmann Hegelmeier bestimmt. Pionierhauptmann Stauffenberg soll von unserem vordersten Graben vor Ammerzweiler aus einen Minenstollen unter die französische vorderste Stellung und den riesigen Betonunterstand vortreiben und das Ding zu gegebener Stunde in die Luft sprengen. Danach sollen die jungen Männer des Rekrutendepots stürmen. Hat der Angriff Erfolg, sollen die französischen vorspringenden Gräben und Befestigungen in unsere Front einbezogen werden, um den Gildweiler Wald besser unter Kontrolle zu bekommen.
Wir legen unsere Minenwerferstellungen in dem flach-welligen Gelände fest. In den folgenden Tagen werden die beiden Minenwerferstände gebaut. Am 10.7. 1915 werden beide MMW (Anm.: mittlere Minenwerfer) in Stellung gebracht und feuerbereit gemacht.
Seit langem schon haben die Pioniere Stauffenbergs mit viel Mühe und sehr leise einen tiefen Minenstollen in Richtung des französischen Hauptstützpunktes vorgetrieben. Das Ende des Stollens liegt aber noch nicht unter der vordersten französischen Stellung, wie Stauffenberg ausrechnet. Ungeduldig drängt die 51. Brigade auf Ausführung des Unternehmens und setzt kurzerhand für den 11.7. den Angriff an.
Mehrfach spreche ich mit Hauptmann Stauffenberg, wir sind uns vollkommen im Klaren darüber, dass der Termin verfrüht ist, der Stollen ist noch nicht weit genug vorgetrieben. Seiner Berechnung nach kann der zu erwartende Sprengtrichter die vorderste französische Stellung mit dem Zementblockhaus und den Hindernissen nur tangieren, nicht aber das ganze Vorwerk in die Luft jagen. Stauffenberg teilt der Brigade dies eindringlich warnend mit, aber die Herrschaften dort oben können offenbar den Sieg nicht abwarten.
Der Einspruch Hauptmann Stauffenbergs wird übergangen und die Ladung des Stollens befohlen, man will sie in der Abenddämmerung um 21 Uhr zünden. Der Feuerbeginn der Artillerie und Minenwerfer ist am Angriffstag daher auf 19:30 Uhr abends angesetzt.
Die Sturmtruppe wird nach vorne gezogen. Die jungen Männer halten sich zum Teil im Dorf Ammerzweiler, zum Teil aber schon in der Reservestellung (II. Linie), die etwa 60 Meter hinter unserem vordersten Graben liegt, auf. Erst zuletzt sollen die Stoßtrupps in die vorderste Stellung gehen und nach der Beschießung und Zündung der Mine sofort angreifen.
Meine Beobachtungsstelle liegt im vordersten Graben gegenüber der feindlichen Bastion. Ich habe dort einen netten, sehr brauchbaren Offiziersaspiranten und einen Telefonisten eingesetzt. Nötigenfalls kann ich auch selbst von einem meiner MW-Stände aus die Lage unseres Feuers beobachten. Natürlich sind wir alle auf das große Ereignis, die Zündung der Mine, gespannt und neugierig. Am Abend vor dem Angriffstag schieße ich kurz die Minenwerfer ein, dann herrscht Feuerstille.
Der Angriffstag:
Am Spätnachmittag laufe ich noch einmal rasch zu meiner Beobachtungsstelle vor. Alles ist in bester Ordnung. Dann streife ich durch den Graben, um mir unsere Ziele von verschiedenen Punkten aus nochmals einzuprägen. Zurück zum Beobachtungsstand, der etwas erhöht ist. Eine schreckliche Überraschung: Der junge Offiziersaspirant liegt blutüberströmt zusammengesackt tot in einer Ecke – Kopfschuβ. Er muβ unvorsichtig gewesen sein.
Nun bleibe ich selbst auf Beobachtung und beginne 19:30 Uhr das Feuer mit meinen beiden MMW. Ab 19:50 Uhr Wirkungsschieβen gemeinsam mit der gesamten Artillerie. Französische Batterien bei Dammerkirch (Anm.: heute Dennemarie) antworten heftig. Wir liegen gut im Ziel. Das Feuer wandert nach Plan den vordersten Stellungen entlang, soweit der Angriff ausgedehnt werden soll.
Ein Volltreffer, wahrscheinlich ein Kurzschuβ unserer eigenen 21 cm Mörser, hat das grauenhafte Unheil angerichtet. Mit totblassen Gesichtern stehen die jungen Soldaten in den Gräben und schauen auf die gefallenen Kameraden. Sofort lasse ich durch Unteroffiziere die Leichen zudecken und schicke die jungen Männer in die Stollen und Unterstände.
Unverletzt erreiche ich die Beobachtungsstelle bei den Minenwerferständen und presse die Augen an das Scherenfernrohr. Wir wissen natürlich genau, daβ Punkt 21 Uhr im Dämmerlicht die Mine, mehrere Zentner Dynamit, gezündet werden soll. Wer wäre nicht neugierig? Kurz vor 21 Uhr verlässt der letzte Schuss das Rohr. Dann kann ich meine Männer nicht mehr halten, sie stürzen an den oberen Erdwall unserer MMW-Stellung und schauen nach drüben. Auf die Sekunde genau hebt sich unter ungeheurem Getöse, einer dumpfen Detonation, unter mächtigem Beben, das Erdreich vor unserer Stellung. Eine Riesenfontäne von 60 bis 100 Meter Höhe hochgeschleuderter Erdmassen wirbelt durch die Luft, dann prasseln erdige Brocken, Zement und Steine, herab. Der Qualm verzieht sich. Wir sehen genau, die vorderste französische Stellung ist zum Teil weggerissen, zum Teil verschüttet, das lange Zementblockhaus liegt schief. Auch unser erster Graben ist teilweise von herabfallenden Erdmassen überschüttet worden, ohne jedoch dass Unheil entstand. Sofort lasse ich das Feuer auf den Waldrand von Gildweiler vorverlegen, um das Sperrfeuer der Artillerie zu unterstützen.
Leutnant Bader im vordersten Graben südlich Ammerzweiler. Über dem Graben ein von einer französischen Zentnermine gefällter Baum.
Der Sturm bricht los. Die erste Welle verlässt die Gräben und bahnt sich im Qualm einen Weg durch die Trichter in die vorderste französische Stellung. Der Franzose scheint überrumpelt worden zu sein. Unsere Männer rollen bei schwachem Mondlicht das ganze französische Grabensystem in einer Länge von 400 Metern auf und dringen weit vor. Inzwischen arbeiten unsere Pioniere an einem Laufgraben, der unsere vorderste Stellung mit dem Minentrichter verbinden soll. Der obere Rand des Trichters wird zur Abwehr eines Gegenstoßes vorbereitet.
Bis dahin läuft der Angriff planmäßig ab. Dann kommen die Hiobsbotschaften: Nur die 1. Kompanie des Rekrutendepots hat ihr Angriffsziel erreicht, die 2. und 3. Kompanie haben Schwierigkeiten. Die 4. Kompanie wird zur Unterstützung rasch nach vorne gezogen, gerät dabei in heftiges flankierendes Maschinengewehrfeuer vom Lerchenberg her und erleidet schwere Verluste. Der nächtliche Angriff verebbt. Der Franzose hat bemerkt, was los ist und wehrt sich verzweifelt. Er versucht in vehementem Gegenangriff seine verlorene erste und zweite Stellung zurück zu erobern. Unsere jungen Leute sind viel zu weit in die französische Stellung vorgedrungen und zu sehr verteilt, die Flanken sind offen. Sie sind zu unerfahren. Jetzt werden sie von beiden Seiten gefasst. Es gibt schwere Verluste. Leutnant Bader aus Freiburg, ein netter, sehr beliebter Kamerad, sinkt tödlich getroffen nieder, und er ist nicht der einzige. Viele sind in dieser Nacht gefallen.
Man hat sich getäuscht, unser Angriffsziel ist kein französischer, fast isolierter Stützpunkt, sondern nur der vorgeschobene Keil eines tief gegliederten Grabensystems.
Um Mitternacht nimmt das französische Artilleriefeuer an Heftigkeit außerordentlich zu. Der Feind hat neue Batterien herangeholt, die Lage vorne wird bedrohlich, die Verluste werden immer ernster. Schweren Herzens entschließt sich der Abschnittskommandeur, nach Sprengung aller Unterstände die französischen Stellungen wieder zu räumen, nachdem man die Verwundeten und Toten zurück geschleppt hat.
Mitten in der Rückzugsbewegung, die sich im Morgengrauen unter ziemlichem Gedränge in den Gräben vollzieht, stößt ein französischer Gegenangriff. Er ist so rasant, daβ unsere Posten überrannt werden und zuguterletzt auch noch der riesige Sprengtrichter verlorengeht.
So endet dieses Unternehmen mit einem peinlichen Miβerfolg. Jedermann fragt sich miβmutig: War das nötig? Es wird mächtig geschimpft.
Am 12. 7. fällt kein Schuβ. Allgemeine Erschöpfung und Ruhe.
Nach diesem kläglichen Unternehmen bleibt einer unserer Minenwerfer zur Sturmabwehr in der Stellung Ammerzweiler. Mit dem anderen machen wir Expeditionen. Es kommt zu einer ganzen Anzahl von Einsätzen im Frontbereich der 7. Landwehrdivision, so bei Exbrücke (Anm.: heute Pont d'Aspach), der berüchtigten Höhe 322 an der Hauptstraße von dem Masmünstertal (Anm.: heute Masevaux) nach Sennheim (Anm.: heute Cernay). Die Beschießungen richten sich jeweils gegen unangenehme starke französische Feldbefestigungen. Ein Stützpunkt bei Balschweiler (Anm.: heute Balschwiller) wird niedergekämpft. Auch bei Ammerzweiler gibt es fast täglich Schießereien. Dort haben wir große Schwierigkeiten, denn unsere Stellungen ersaufen im Grundwasser."
Soweit der Bericht von Leutnant Killian. Über die Anzahl der Toten macht er keine genauen Angaben, er schreibt nur von „vielen“.
In der Regiments-Geschichte des Landwehr-Infanterie-Regiment 123 lesen wir, dass auf Befehl des Divisionskommandeur der 7. Landwehr-Division, Exzellenz von Wencher, das Bataillon Hegelmaier vom Feldrekrutendepot Mülhausen der 51. Landwehr-Infanterie-Brigade für eine Unternehmung zur Verfügung gestellt wurde. Der Stab dieser Brigade fasste schließlich den Entschluss, das Rekrutenbataillon zu diesem Angriff zu verwenden. Selbst der Verfasser dieser Regiments-Geschichte äußert in dem Buch seine Zweifel am Sinn dieses Unternehmens.
Exzellenz von Wencher und der Regt. Kommandeur von Falkenstein
Außerdem wird dort erwähnt, dass die Idee, die sogenannten Horchstollen als Angriffsstollen bis unter die feindliche Stellung vorzutreiben und das feindliche Werk in die Luft zu sprengen, von einem Pionier Hauptmann Stauffert stammt. Hier erscheint der Name „Stauffert“, bei Killian „Stauffenberg“. Eine Ungenauigkeit, Verwechslung? Es scheint sich wohl um denselben Hauptmann zu handeln.
Kommen wir nun zu dem Bericht aus der Regiments-Geschichte des L.I.R. 123:
"(...) Zu dem Angriff waren von den badischen Pionieren schon seit einigen Wochen hinter dem Vorwerk Sautter Stände für einen schweren und einen mittleren Minenwerfer, sowie zwei Erdmörser, und in der „Dragonerstellung“ ein Stand für einen mittleren Minenwerfer eingegraben worden. Außerdem hatte die Brigade durch Armierungssoldaten einen 600 Meter langen Laufgraben von der Mitte der Lerchenberg-Kompanie bis zum Laufgraben Bernweiler-Niederburnhaupt ausheben lassen.
Punkt 7.30 Uhr abends setzte am 11.Juli das Feuer der deutschen Artillerie und Minenwerfer unter Hauptmann von Rhönecks Leitung ein. Mächtig hallte das Echo der in den feindlichen Gräben berstenden schweren und mittleren Minen und der 21 cm Granaten vom Gildweiler Wald herüber. Nur zaghaft wagte der Feind zunächst zu antworten. Da schlug zum großen Schrecken ein Kurzschuβ einer 21 cm Granate in die Kirche von Ammerzweiler und in rascher, nicht mehr abzuwendender Folge ein zweiter mitten in die Sturmkolonne der 3. Rekruten-Kompanie ein und tötete etwa 12 und verwundete gegen 60 brave Landwehrleute. Ein böser Schlag für das Unternehmen, dieser Kurzschuβ, der nach Angabe der Artilleristen von ungenauer Konstruktion oder unrichtigem Granatgewicht herrührte!
9.05 Uhr abends wird die mit einigen Zentnern Sprengstoff gefüllte Mine unter gewaltigem, erdbebenartigem Getöse in die Luft gesprengt, die auf mehrere 100 Metern im Umkreis Erdschollen und Steine in die Luft empor schleuderte.
Unmittelbar nach der Explosion stürmen die Kompanien des Rekrutenbataillons unter Hauptmann Hegelmaier in drei Kolonnen, von den Patrouillen des L.I.R. 123 geführt, mit dem Bajonett gegen die feindliche Stellung vor. Hauptmann Lemppenau gelingt es, mit der 1. Rekruten-Kompanie den feindlichen Graben nördlich des Straßenkreuzes zu nehmen, Gefangene zu machen und sein Ziel zu erreichen. Erheblich langsamer kommt die 3. und die ihr bald zur Verstärkung beigegebene 2. Rekruten-Kompanie voran; ihr gegenüber wehrt sich die Besatzung, die durch unser Artilleriefeuer nicht gelitten hatte, durch kräftiges Feuer. Doch schließlich haben auch sie Erfolg, als sie aus dem neuen Trichter heraus mit aufgepflanztem Seitengewehr den Graben nehmen.
Ganz schwierig aber gestalten sich die Verhältnisse am linken Flügel; die hier stürmende 4. Rekrutenkompanie gerät, noch ehe sie das feindliche Drahtverhau erreicht, in heftiges Maschinengewehrfeuer aus der linken Flanke und erleidet schwere Verluste. Sie arbeitet sich zwar an das feindliche Hindernis heran, kann es aber nicht überwinden. Anscheinend hatte hier der Feind unsere Sturmgassen, so sorgfältig sie auch verborgen waren, entdeckt.
Als hier der nächtliche Angriff ins Stocken gerät, schickt Major Gutermann als Abschnittskommandeur, Oberleutnant Kemmler mit seiner 4./L. 123 (4./L.I.R 123) zur Unterstützung vor. Doch bis sie an Ort und Stelle kommen, war es schon zu spät. Der Widerstand der feindlichen Maschinengewehre am linken Flügel und in der Flanke war nicht mehr zu brechen. Die Annahme der Führung, als ob die französische Stellung nicht mit den feindlichen Gräben nordwestlich Balschweiler zusammen hänge, erwies sich als Irrtum.
Inzwischen hatten die zum Ziel gelangten Sturmkolonnen des Rekrutenbataillons den hinter der ersten Linie liegenden zweiten feindlichen Graben in einer Länge von 400 Meter südlich des Straßenkreuzes ebenfalls gestürmt und waren mit Eifer an die Errichtung einer neuen Verteidigungslinie in den eroberten Gräben und an Absperrung nach vorwärts und den Seiten gegangen. Die Arbeit sicherten zwei Maschinengewehre. Gleichzeitig versuchte Hauptmann Stauffert mit Pionieren und Mannschaften der 12./L. 123, einen Laufgraben vom Vorwerk Sautter bis zum Trichter und zu den eroberten französischen Gräben auszuheben. Doch der Boden war steinhart; die Arbeit ging langsam voran.
Inzwischen aber – es war Mitternacht geworden – hatten die Franzosen eiligst Verstärkung an Artillerie heran geholt. Und nun begann ein gewaltiges, von allen Seiten kommendes, konzentriertes Bombardement der verlorenen Stellung mit einem Munitionsaufwand, wie ihn nur der Feind sich in dieser Zeit leisten konnte. Vom Ausbau der Stellung konnte keine Rede mehr sein. Das Feuer war zu stark und die Verluste zu groß.
Regiments-Kommandeur Generalmajor Trützschler von Falkenstein
Und nun rüstete sich der Gegner zum Gegenstoß, wobei er die Flankierungsmöglichkeit meisterhaft ausnützte. An ein Niederhalten der feindlichen Artillerie durch die deutsche war schon aus Gründen des beschränkten Vorrates an Munition nicht zu denken. Kam der Tag, so war nach Lage der Verhältnisse, insbesondere des ungünstigen Geländes, das Halten der Stellung unmöglich, ohne die Aufopferung der ganzen Besatzung. Da entschloss sich Generalmajor Trützschler von Falkenstein den Graben nach Mitnahme sämtlicher Toten und Verwundeten und Zerstörung der Anlagen wieder zu räumen. Der Rückweg in der Dunkelheit gestaltete sich in dem feindlichen Feuer besonders schwierig. Die Verbände der im Gelände nicht bekannten Rekrutenkompanien lockerten sich; es entstand ein ziemliches Durcheinander. Und das Schlimmste dabei war, daβ die Franzosen gleichzeitig ihren Gegenstoß ausführten. So ging trotz heldenmütiger Verteidigung einzelner Gruppen im Gewirr des nächtlichen Gefechts der Minentrichter verloren. Der Gegner erfasste in raschem Entschluβ seinen Vorteil und setzte sich darin fest.
So endete der anfänglich gut verlaufende Angriff mit einem Miβerfolg, der hätte erspart werden können. Und nun zeigte es sich, als der Tag über dem blutigen Gefechtsfeld anbrach, daβ die Pioniere sich mit der Lage ihres Minenstollens gewaltig verrechnet hatten. Statt die feindliche Stellung am Straßenkreuz damit zu zerstören, saβ der etwa 12 Meter im Durchmesser fassende Trichter nicht in, sondern 20 Meter vor der feindlichen Stellung; statt den Feind zu schädigen, gab man ihm im Trichter ein Mittel in die Hand, seine Verteidigung zu stärken. Da er unmittelbar vor dem feindlichen Graben war, wurde er zu einem vorgeschobenen, für unsere Artillerie schwer faβbaren Bollwerk.
Die Verluste dieses Nachtangriffs waren schwer: mehr als 25 Tote, darunter der Artilleriebeobachter Ltn. Bader vom F.A.R. 1 (Anm.: Landwehr-Feldartillerie-Regiment 1) und über 150 Verwundete, in der Mehrzahl vom Rekrutenbataillon, wurden gezählt. Dazu kamen noch mehrere Vermisste. Was wollten die acht gefangenen Franzosen, der erbeutete Minenwerfer und das übrige eroberte Gerät dagegen sagen? Die Opfer standen in keinem Verhältnis zum Zweck des Unternehmens.
Unter der anhaltenden feindlichen Beschießung hatte der Abschnitt Ammerzweiler, besonders um die Ortschaft und auf dem Lerchenberg, schwer zu leiden. Lauf- und Schützengräben waren zusammen geschossen, die Drahthindernisse schwer beschädigt, Unterstände zerstört. So gelang es Hauptmann Falke gerade noch mit knapper Not zu entrinnen, als sein Kompanieführerstand durch feindliche Granaten in Stücke zerrissen wurde. Die Lage war auch insofern schlimmer als zuvor.
Laufgraben bei der Kirche. Im Graben Feldw.-Leutn. Kohler
Dadurch, dass der Feind sich endgültig im Trichter festgesetzt hatte, ergab sich die dringende Aufgabe, nordöstlich vom Trichter einen Flankierungsgraben anzulegen. Die Arbeit wurde in einer Nacht ausgeführt, der Graben „Feste Otto“ genannt. Ferner baute das I./L.123 hinter der sogenannten Ammerzweiler Straßenbarrikade eine zweite rückwärtige Linie, die die Winkelform in einem sanften Bogen abflachte, so dass drei rückwärts gestaffelte Verteidigungslinien an der bedrohten Stelle vorhanden waren, und verlegte die Stellung westlich Ammerzweiler vor den Ortsrand („Finkhengraben“ und später „Kohlergraben“, nach den Feldwebel-Leutnants Finkh und Kohler genannt), so dass der Ortsrand zweite Linie wurde. Die Pioniere ihrerseits nahmen den Bau von drei neuen Abwehrstollen vor, um etwaigen Minier- und Sprengversuchen des Gegners, wozu der von ihm gewonnene Trichter natürlich einlud, vorzubeugen. Aber auch der Feind schanzte mit aller Energie in seinen Linien.
Man suchte sich gegenseitig die Arbeit mit Feuer zu erschweren. Der schwere und mittlere Minenwerfer blieben nun fast dauernd eingesetzt. So fingen nun die schweren täglichen Minenkämpfe an.
Von nun an war Ammerzweiler der „Hexenkessel, in dem es dauernd zischte und brodelte“.
Das Regiment versuchte zwar den Gegner von der Stelle abzulenken und lies am 28. 7. mit mittleren Werfern unter dem gewandten und schneidigen Leutnant Kilian das feindliche Balschweiler Vorwerk wirkungsvoll beschießen; aber der Franzose lies sich dadurch nicht beirren, uns täglich in Ammerzweiler bös mitzuspielen. Er stellte die zerstörten Gräben wieder her und befestigte besonders auch seine Kanalstellung gegenüber Enschingen bei Schleuse 26 und 27.
Wohl als Vergeltung für die Minensprengung, bereiteten die Franzosen einen Angriff vor, der am 15. August im Spechbachgrund nördlich Ammerzweiler erfolgte."
Ein anderer Bericht, von Louis Vogt am 21.04.1978 veröffentlicht, bezieht sich einerseits auf das Buch von Killian, andererseits auf einen nicht näher bezeichneten Augenzeugenbericht. Er schrieb:
"Französischerseits sind wir in der Lage, diesen deutschen Bericht einem französischen Augenzeugenbericht gegenüber zu stellen, der jenen, wie der Leser leicht feststellen wird, in allen Pun kten bestätigt und einigermaßen ergänzt: „Im Juli 1915 besetzte die 18. Kompanie des I.R. 235 von Belfort die Linie bei der Kreuzung der Straßen Balschwiller, Pont d’Aspach, Gildwiller, Ammertzwiller. Das württembergische I.R. 123 verhinderte den Zugang zu letzterer Ortschaft. ......
Am 11. Juli gegen neun Uhr abends erschütterte eine ungeheure Explosion zweier Sprengladungen den ganzen Abschnitt und grub zwischen den Linien einen Trichter von mehr als 40 m Durchmesser.
Sofort folgte der deutsche Angriff in dem durch die Explosion empor geschleuderten Tonnen Erdmassen erzeugten Nebel....
Als gegen 3 Uhr morgens die französische Artillerie vom damals in Lachapelle stationierten Hauptquartier den Befehl erhielt, einzuschalten, wurden alle Stellungen, einbegriffen den berühmten Trichter, wieder besetzt."
Vogt erwähnte noch, dass nach einem Augenzeugen aus Ammertzwiller, für die Mine rund zwei Tonnen Dynamit gezündet wurden.
Wir hatten das Vergnügen, den ehemaligen Bürgermeister von Ammertzwiller kennen zu lernen. Sein Vater war Augenzeuge des damaligen Geschehens und hat seinem Sohn einiges überliefert. Auch hatte er eine beachtliche Sammlung von Kriegsmaterial zusammen getragen, welche der Sohn im Laufe der Jahre durch weitere Funde vergrößerte. Bei dem sehr interessanten Gespräch, erhielten wir folgende Informationen:
• Die Franzosen wurden auf die Minierarbeiten der Deutschen aufmerksam, Horchposten hörten die Grabarbeiten. Angeblich brachten die Franzosen die Mine zur Explosion.
• Das große französische Blockhaus wurde durch die Sprengung nicht beschädigt. Es befand sich noch eine Unmenge Munition darin.
• Der Minentrichter hatte einen Durchmesser von rund 50 Meter und war 16 Meter tief.
• Durch die Explosion sei in Balschwiller ein Gänserich tot umgefallen.
• Auf deutscher Seite fanden rund 200 Soldaten den Tod.
• Rund 50 Jahre nach dem Ereignis, im Jahre 1975 oder 1976, trafen sich ein französischer und ein deutscher Kommandant am Minentrichter.
• Da der Trichter als Mülldeponie diente und zugeschüttet werden sollte, hat der ehemalige Bürgermeister das Grundstück gekauft. Er musste ein Jahr lang an den Wochenenden daran arbeiten um den Müll wieder zu entfernen und den Minentrichter somit als Denkmal zu erhalten.
• Vor dem Trichter hat er zur Erinnerung ein kleines Denkmal aus Kriegsmaterial aufgebaut. Es besteht aus einer Panzerkuppel, darauf eine Flügelmine. Die Panzerkuppel stammt von einem Vorposten (Beobachtungsstand) aus dem Sautter Vorwerk. An der Kuppel sind einige Einschüsse zu erkennen.
• Die Einheimischen nennen den Trichter „Mina-Loch“.