Die Burgundische Pforte


Die Gegend zwischen Mülhausen, Basel, Montbéliard und Belfort ist eine breite Senke, die durch die südlichen Ausläufer der Vogesen und die Nordhänge der Juraketten gebildet wird. In diesem Viereck verläuft zwischen Mülhausen und Montbéliard diagonal der Rhone-Rheinkanal. Die alte deutsch-französische Grenze bezeichnet ungefähr die Wasserscheide und Sprachgrenze.

Zwischen Vogesen und Mont-Terrible ist die Lücke rund 45 km breit; 13 davon liegen indessen auf Schweizer Gebiet (Ajoie). Für einen gross angelegten Angriff ist das kupierte und bewaldete Gelände zu schmal, dagegen eignet es sich vorzüglich für die Verteidigung. In diesem Schlauch kann eine Armee nur dann manövrieren, wenn sie die ihn beherrschenden Höhen besitzt, d. h. die südlichen Zipfel der Vogesen und die berühmte Stellung von Les Rangiers auf der Kette des Mont-Terrible.

Die Zugänge waren schon vor dem Weltkrieg gesperrt, und zwar im Westen durch Belfort und die dazugehörenden Befestigungen, die beiden Sperrwerke von La Chaux und Mont-Bard um Montbéliard und das Fort Lomont auf dem gleichnamigen Höhenzug; im Osten durch den Isteiner Klotz, die Brückenköpfe von Hüningen und Eichwald–Neuenburg, gegenüber Mülhausen.

In allen Zeiten war die „Gallische Pforte“ der natürliche Weg für Völkerwanderungen; als große Durchzugsstrasse hat sie unzähligen Heeren als Kriegsschauplatz gedient.

Marsch des LJR 81 von Sirenz in Richtung Altkirch.

Hinter dem Dorfe Sirenz lief die Straße durch ein bescheidenes Höhengelände. Ging es hügelan, so sah man zur Rechten das Gewell der Landschaft sich mit Wald und Wiesen und heiteren Dörfern in die Ferne dehnen, bis ihm hinter Nebeln die Wand des majestätischen Gebirges eine Grenze setzte. Es war das berühmte Bild der burgundischen Pforte, das sich jetzt entrollte. Die Vogesen bildeten ihren Nordpfeiler. Der südliche ging in dem Bergland auf, darinnen man sich vorwärts bewegte; er stieg allmählich dem Schweizer Jura entgegen. So führte der Krieg das Regiment in das breite Völkertor des Sundgaues, durch das sich hin und her schon vor grauen Zeiten Heerzüge gewälzt hatten. 

Hier stiessen Cäsars geschulte Legionen im Jahre 58 v. Chr. Auf die mit ungebändigter Wildheit kämpfenden Germanen Ariovist`s. Hier drangen die Alemannen im Jahre 282 und 357 ins Innere Galliens ein. Dicht hinter ihnen her schwemmte der Anprall der Völkerwanderung Vandalen, Alanen und als furchtbare Menschengeisel die Hunnen durch die blutige Burgunderpforte nach Westen. 

Das ewig bedrohte Völkertor war im Umschwung der Jahrhunderte nacheinander von Römern, Alemannen und Franken gehütet worden, und gehörte Deutschland, bis es mit der österreichischen Landgrafschaft Oberelsass 1648 von dem durch 30 Kriegsjahre erschöpften Reiche an Frankreich überlassen werden musste. 200 Jahre vorher, - so erzählt der Chronist – war der Sundgau, die Grafschaft Pfirt und der Breisgau schon einmal um 80 000 Goldgulden an Karl den Kühnen von Burgund verpfändet gewesen. 

Das war um die Zeit, wo wieder die Kriegsfurie den Sundgau heimsuchte, und Ludwig XI. mit den räuberischen Armagnacs von Mömpelgard (Montbeliard) her gegen Basel zog und bei St. Jakob die Eidgenossen vernichtete. Das kriegerische Ereignis, welches die Gegend, wo das L.J.R. 81 einzog, vielleicht am meisten anging, war der Zug Turennes, des Feldherrn Ludwig XIV., welcher 1674 von Belfort durch den Sundgau rückte und bei Brunstatt die Österreicher überrumpelte.

Es sollte bis 1870 dauern, bis die Vogesenhäupter wieder deutsche Heerkraft im Sundgau sahen. Es war General von Werder, der nach Strassburgs Fall gegen Belfort zog – um sich vergebens an der Felsenfeste zu verbeissen. Doch das Schicksal des Elsass entschied sich gegen Frankreich, und bis in das Weichbild Belforts vorgeschoben, durchquerten schwarz-weiss-rote Grenzpfähle das Völkertor. 

Bis 1914 standen sie dort, und Frankreich empfand sie wie Pfähle im eigenen Fleisch. Da kam der große Krieg. Die verhassten deutschen Zeichen sanken vor Frankreichs Heer, das Vergeltung heischend durch den Sundgau drang. Zweimal erreichte es Mülhausen, um ebenso oft von deutschen Kräften wieder zurückgeworfen zu werden. 

Im Sundgau verstemmten sich dann die Gegner. Die französischen Linien hatten ihren starken Widerhalt in den Vogesen-Höhen-Stellungen, die weithin die Ebene beherrschte, vor allem aber in der Festung hinter ihnen, und der Belforter Löwe, der sein Haupt hinter Felsenriegeln verbarg, konnte ruhig schlafen.